Wie die meisten genetischen Erkrankungen kann auch das Fragile-X Syndrom (kurz Frax) derzeit nicht geheilt werden. Durch eine individuelle Förderung können jedoch Selbständigkeit und Leistungsfähigkeit heute schon stark verbessert werden.
Um einem Kind mit FraX die bestmöglichsten Voraussetzungen zur eigenen Lebensbewältigung zu gewähren, sollte eine Förderung bereits so früh wie möglich beginnen.
Als sinnvolle Therapien haben sich unter anderem Frühförderung, Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie und auch die Montessoritherapie herausgestellt. Das Ziel dabei ist das Weiterbringen durch Unterstützen von Entwicklungsvorgängen, nicht der Angleich an die Norm im Sinne eines Wegtrainierens der Behinderung.
Wir haben für Sie einen kurzen Überblick über unterschiedlichen Therapien zusammengestellt. Die sogenannten ”Klassischen Therapien“ sind in der Regel die, deren Kosten auch von den Krankenkassen übernommen werden. Aber auch “Alternative Therapien” bieten gute Fördermöglichkeiten. Einige Krankenkassen übernehmen auch hier die Kosten – eine Nachfrage lohnt.
Was versteht man unter Frühförderung?
Die Heilpädagogische Frühförderung ist die frühestmögliche Förderung von entwicklungsgefährdeten bzw. behinderten oder von einer Behinderung bedrohten Kindern.
Der Zeitraum der Förderung liegt in der Regel von der Geburt an bis zum Übergang in eine weiterführende Institution (z.B. Kindergarten oder Schule) oder bis zum Erreichen des Förderzieles.
Die Förderung steht allen Kindern offen, die in ihrer geistigen, körperlichen, seelischen oder sozialen Entwicklung auffällig sind. Die Frühförderung und Frühberatung umfasst Hilfen für das Kind wie auch für die Eltern bzw. die Familie. Die Hilfen organisieren sich an der aktuellen Gesamtsituation und dem Entwicklungsstand des Kindes. Ziel für das Kind ist die Förderung der Handlungs- und Erlebnisfähigkeit im Familienalltag. Dabei steht die ganzheitliche Förderung der Persönlichkeit im Vordergrund. Für jedes Kind wird ein individueller Förderplan erstellt, der motorische, sprachliche, kognitive und emotional-soziale Aspekte berücksichtigt.
Am besten wenden sich Eltern an eine Frühförderstelle vor Ort, die sich dann um alles weitere kümmert, da es in Deutschland keine einheitlichen Regelung gibt. Den Eltern entstehen keine Kosten für die Frühförderung.
Was bietet Krankengymnastik?
Es handelt sich um eine vom Arzt verordnete Therapieform. In der Krankengymnastik werden Kinder und Erwachsene mit orthopädischen, chirurgischen, neurologischen Krankheitsbildern sowie psychomotorischen Störungen behandelt Es gibt unterschiedliche Techniken in der Krankengymnastik zum Beispiel: Bobath, Funktionelle Bewegungslehre nach Klein-Vogelbach. Ziele können unter anderem sein: Bewegungs- und Entwicklungsverbesserung bei Säuglingen und Kindern (bessere Kopf- und Rumpfkontrolle, Erlernen von Krabbeln, Abstützen, Aufstehen und Gehen), Kräftigung, Erhaltung der Beweglichkeit.
Was ist Ergotherapie?
Es handelt sich um eine vom Arzt verordnete Therapieform. Die Behandlung bewirkt, unter Verwendung von speziell angepasstem Übungsmaterial, die Wiederherstellung oder Verbesserung eingeschränkter, verloren gegangener oder verzögerter Funktionen und Fähigkeiten von Körper, Seele und Geist.
Je nach Entwicklungsstand und individuellen Schwierigkeiten gelangen unterschiedliche Konzepte zur Anwendung. Der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf den basalen sensomotorischen Funktionen, weniger auf sichtbaren Symptomen und Schwierigkeiten. Manches mal ist es erforderlich, die Störungen über einen „Umweg” über andere Funktionen zu beeinflussen, da eine direkte „Symptombehandlung” oft nur Widerstände aufbaut und den Therapieerfolg beeinträchtigt.
Folgende Ziele werden verfolgt:
- Förderung und Stabilisierung von vorhandenen und verloren gegangenen geistigen, sozialen und körperlichen Fähigkeiten;
- Vermeidung/Verminderung von Abhängigkeit und Isolation; Selbständigkeit im Alltag;
- Erweiterung und Erhaltung des Bewegungsausmaßes aller Gelenke;
- Förderung der Wahrnehmung in allen Sinnesbereichen;
- Förderung und Stabilisierung von Gedächtnisleistungen, Aufmerksamkeit, Konzentration und Orientierung.
Was kann Logopädie bewirken?
Was können Logopädinnen für Kinder tun, die vom Fragilen-X Syndrom (kurz FraX) betroffen sind?
Logopäden/innen arbeiten interdisziplinär in sozialpädiatrischen Zentren und Frühförderstellen (SGB IX) sowie in freier Praxis und sind für die Beratung von Eltern, die Durchführung der logopädischen Diagnostik und Therapie tätig. Was bedeutet dies für Sie als Eltern eines Kindes, bei dem das FraX diagnostiziert worden ist?
Beratung/Prävention
Die Beratung von Eltern umfasst Informationen zur Sprachentwicklung, dem aktuellen Entwicklungsstand des Kindes, den diagnostizierten Störungen und dem auf der Grundlage der Diagnostik erstellten Therapieplan.
Beim FraX wird die Verzögerung der Sprachentwicklung relativ häufig erst ab dem 2.- bis 3. Lebensjahr erkennbar. Eltern werden, unabhängig vom Zeitpunkt der Diagnosestellung dahingehend beraten, wie sie den Spracherwerb ihrer Kinder gezielt unterstützen können. Je nach Situation kann auch ein Elterntraining, z.B. das Hanen-Programm, das spezifisch für Eltern mit behinderten Kindern entwickelt worden ist, empfohlen werden.
Logopädische Diagnostik
Zunächst ist sicherzustellen, dass das Kind keine Hörstörung hat, dies ist in der Regel Teil der interdisziplinären Diagnostik einer Frühfördereinrichtung. Die Logopädin untersucht das Kind, indem sie sich zunächst ein Bild von seinen kommunikativen (sprachlichen) Fähigkeiten in einer Spielsituation macht. Dann werden mit Hilfe ausgewählter Prüf- und Testverfahren die Bereiche Kommunikationsfähigkeit, Sprechrhythmus und Poltern, orale und verbale Dyspraxie/Mundmotorik, Sprachproduktion näher untersucht. Die spezifischen Aufmerksamkeits-/, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme werden bei der Auswahl und Durchführung der Verfahren entsprechend berücksichtigt.
Logopädische Therapie
Ausgangspunkt der Therapie sind die Interessen und Probleme des Kindes. Die Inhalte der logopädischen Therapie ergeben sich unmittelbar aus dem logopädischen Befund, der mit den Eltern vor Beginn der Therapie besprochen wird. Die Eltern erhalten kontinuierlich Einblick in den Verlauf der Therapie, das heißt sie werden über Fortschritte und Veränderungen in der Therapieplanung informiert. Am Ende einer Therapiephase wird ein Abschlussbefund erstellt, aus dem hervorgeht, ob die Therapie abgeschlossen ist oder aber fortgesetzt werden sollte.
Nachfolgend sind für unterschiedliche Therapiebereiche Hinweise zu inhaltlichen Schwerpunkten und möglichen Therapieansätzen zusammengestellt worden:
Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit
Ziel ist es, den Kindern Dialogkompetenzen zu vermitteln, d.h. sie lernen z.B. den Einsatz von Redekategoien wie z.B. Frage-Antwort. Die Produktion von Perserverationen, d.h. dem Beharren auf einer Äusserung, oder auch der Produktion von Echolalien (Nachsprechen vorgesagter Wörter oder Phrasen) kann mit Hilfe Video gestützter Rollenspielarbeit bearbeitet werden.
Sowohl bei der Anbahnung expressiver Sprache als auch im Bereich Sprechrhythmus und Poltern wird die Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit bei der Arbeit berücksichtigt, indem die Therapieumstände so gestaltet werden, dass sie eine Verbesserung der kommunikativen Kompetenzen unterstützen.
Störung der expressiven Sprache (Sprachproduktion)
Mit Hilfe visueller Stimuli (Realgegenstände, Bilder) und einer handlungsbezogenen Therapiegestaltung (z.B. „HOT -handlungsorientierte Therapie“ nach Weigl oder Sprachanbahnung nach Zollinger) kann der Einsatz von Sprache in unterschiedlichen (Spiel)Kontexten stimuliert werden. Des weiteren können je nach Ausprägungsgrad der Störung auch Verfahren zur unterstützen Kommunikation Anwendung finden.
Sprechrhythmus und Poltern
Die Vermittlung der prosodischen Merkmale und einer angemessenen Sprechgeschwindigkeit kann z.B. mit Hilfe von Körperbewegungen angebahnt werden.
Orofaziale Störung (Störung der Mundmotorik): Therapietechniken wie z.B. Orofaziale Regulationstherapie nach Castillo-Morales können hier eingesetzt werden; andererseits können Eltern bezüglich Hilfsmittel und Wege zur Gestaltung der Esssituation angeleitet werden.
Weitere Informationen zur Logopädie finden Sie auf der Internetseite des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie (dbl) unter der Webadresse www.dbl-ev.de.
Was ist Reittherapie?
Für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsverzögerung oder geistiger und/oder Körperbehinderung bietet das therapeutische Reiten eine optimale Förderung. Angstabbau, Selbstbewusstseinsaufbau, Förderung der Sensomotorik und Körperwahrnehmung werden unterstützt. Leider ist das therapeutische Reiten momentan kein Leistung der Krankenkassen.
Was ist Tomatis-Therapie?
Tomatis entwickelte eine höchst effektive Methode, um Hörwahrnehmungsprobleme zu behandeln, die Ursache vieler Störungen sind. Mit Musik von W.A. Mozart, speziellen Gregorianischen Gesängen und einer Stimmaufnahme der eigenen Mutter wird über den Hör- und Gleichgewichtssinn die Wahrnehmungsfähigkeit systematisch stimuliert und trainiert.
Mit einem Horchtest fängt es an
Am Anfang einer Hörkur steht der psychologische Horchtest (TLT = Tomatis-Listening-Test). Im ersten Moment erinnert dieser Test und das Testgerät an die Erstellung eines Tonschwellenaudiogramms bei einem HNO-Arzt. Dieser überprüft das allgemeine Hörvermögen unter Optimalbedingungen und möchte klären, ob beispielsweise eine Hörgeräteversorgung notwendig ist. Der Horchtest jedoch verfolgt ein anderes Ziel und fragt zusätzliche Parameter ab, um Hinweise auf das Hörwahrnehmungsverhalten im Alltag zu gewinnen.
Im Horchtest werden ermittelt:
- Luftleitungshörschwelle (LL)
- Knochenleitungshörschwelle (KL)
- Überhörfehler bei LL und KL
- Tonhöhenunterscheidungsvermögen (Selektivität)
- Auditive Lateralität
Aus dem Horchtest ergibt sich ein individuelles Kommunikationsmuster. Er gibt Hinweise auf
- Motorik und Gleichgewicht
- das Verhalten (emotionaler Rückzug, Ängste, fehlendes Selbstbewusstsein, Unruhe, Aggressivität, Wohlbefinden, Ausgeglichenheit)
- Fähigkeit, analytisch zu hören (horchen)
- Sprachverarbeitung
- Konzentrationsfähigkeit oder Ablenkbarkeit
- Ermüdbarkeit oder Vitalität
- eher depressive oder dynamische Veranlagung
In allen diesen Bereich kann ein Horchtraining nach Tomatis große Verbesserungen bewirken. Basierend auf dem Horchtest, der Anamnese, und dem Problem des Getesteten wird ein individuelles Hörprogramm erstellt. Fortschritte werden durch regelmäßige Kontrolltests geprüft und das Hörtraining der veränderten Hörweise angepasst.
90 Minuten hören – 90 Minuten Pause
. . . das ist Alltag bei Atlantis. Während des Hörens ist bei Erwachsenen vor allem Entspannung, Schlafen, Malen oder Puzzeln angesagt. Kindern steht im Kinderzentrum eine reichhaltige Palette an Spielen zur Verfügung. Sie werden angeregt, sich kreativ zu beschäftigen und basteln, bauen, weben, malen, spielen oder träumen ganz einfach weg. Kinder und Eltern sind räumlich voneinander getrennt. Wenn dies nicht möglich ist, gibt es bei Atlantis auch einen Mutter-Kind-Bereich, in dem beide gemeinsam die Therapie erfahren können.
Für weitere Informationen: www.atlantis-vzw.de
Gibt es Medikamente "gegen" Fragiles-X?
Es gibt momentan noch keine gezielte medikamentöse Therapie für Fragiles-X Syndrom. Allerdings finden zur Zeit verschiedene klinische Studien zu Substanzen statt, die basierend auf der sogenannten mGluR-Theorie in den bei vorliegendem Fragilem-X Syndrom aufgrund des Fehlens des FMR-Proteins veränderten Stoffwechsel gezielt eingreifen sollen. Die Interessengemeinschaft wird über den Fortgang der Studien berichten.
Informationen zur symptomatischen Pharmakotherapie, die sich allerdings ausschließlich an Ärzte richtet, finden sich auf den Seiten der amerikanischen National Fragile X Foundation.