Gemeinsamer Unterricht
Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf können im Rahmen des Gemeinsamen Unterrichts Allgemeine Schulen besuchen. Dies gilt für alle Förderschwerpunkte. Dabei werden sie wohnortnah im normalen sozialen Umfeld zusammen mit nicht behinderten Schülerinnen und Schülern unterrichtet. Gemeinsamer Unterricht kann sowohl in Integrationsklassen als auch in Kooperationsklassen durch die Zusammenarbeit der Allgemeinen Schulen mit den entsprechenden Förderschulen erfolgen.
Die rechtliche Basis für den Gemeinsamen Unterricht bildet der Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention. Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten (in Deutschland sogar jedes einzelne Bundesland), ein integratives Schulsystem auf allen Ebenen zu gewährleisten. Nach Feststellung des Sonderpädagogischen Förderbedarfs haben Eltern mittlerweile gute Chancen, bei der zuständigen Schulaufsichtsbehörde Gemeinsamen Unterricht für ihr Kind durchzusetzen.
Interessante Literatur bzw. Links
- Wegweiser für Eltern zum Gemeinsamen Unterricht, Herausgeber: Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam leben – gemeinsam lernen e.V
- Gemeinsam lernen. Inklusion leben., Prof. em. Dr. Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmannstiftung 2010
- Eine Schule für alle – Inklusion umsetzen in der Sekundarstufe, Herausgeber: mittendrin e.V., Verlag an der Ruhr, 2011
Wie erfolgt die spezielle Förderung meines Kindes?
Die Förderung der Kinder erfolgt zieldifferent, d.h. die Kinder mit Behinderung werden entsprechend den Lehrplänen der jeweiligen Förderschule unterrichtet. Das erfordert seitens der Lehrkräfte ein didaktisch, organisatorisch und methodisch aufwendigeres Unterrichtskonzept.
Wird mein Kind in einer Inklusionsklasse hinreichend gefördert?
Leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler profitieren sowohl sozial als auch leistungsmäßig von einer heterogenen Lerngruppe. Sie werden hier oftmals stärker motiviert, da sie andere Vorbilder haben. Das Leistungsniveau im Bereich der Kulturtechniken ist in der Regel höher als in den homogenen Lerngruppen der Förderschulen.
Nicht nur die Kinder mit Behinderung profitieren von dieser Schulform. In einer Gesellschaft, in der die Anforderungen an Empathie einen immer größeren Stellenwert einnehmen, werden ″von einem Gemeinsamen Unterricht letztlich auch die Regelkinder profitieren, indem sie höhere soziale Kompetenzen erwerben, während sich ihre fachbezogenen Schulleistungen nicht von den Leistungen der Schülerinnen und Schüler in anderen Klassen unterscheiden″ (Quelle: Klemm (2009) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung: Sonderweg Förderschulen). ″Die soziale Integration behinderter Kinder gehe nicht auf Kosten der gut begabten und sehr leistungsfähigen Schüler/innen″ (Quelle: Feyerer (1998): Behindern Behinderte? Integrativer Unterricht auf der Sekundarstufe I).
Wie groß ist die Kassenstärke in einer Inklusionsklasse?
Bis zu 5 Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf werden innerhalb der Regelklassenstärke der Allgemeinen Schule von bis zu 30 Kindern unterrichtet. Eine Reduzierung der Klassenstärke mit dem Hinweis auf Mitschüler mit Behinderung ist leider nicht immer möglich.
Die Inklusionsklassen erhalten zusätzliche Förderlehrerstunden.
Wer unterrichtet mein Kind?
Pädagogen der Allgemeinen Schule, Sonderpädagogische Fachkräfte und Integrationskräfte bilden interdisziplinäre Teams.
Sonderpädagogische Förderung an Allgemeinen Schulen erfordert eine intensive Kooperation der Lehrkräfte im Kollegium und dem persönlichen Umfeld der Schülerin oder des Schülers.
Welche personelle Unterstützung gibt es für mein Kind?
Zum erfolgreichen Schulbesuch, egal ob als gemeinsamer Unterricht oder Unterricht an Förderschulen, kann zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft die Assistenz und Unterstützung einer Integrationskraft erforderlich sein. Dabei kommen der Integrationskraft vor allem die pflegerischen Aufgaben zu. Die Vermittlung des Schulwissens obliegt dem Lehrer bzw. Förderlehrer. Häufig lassen sich aber pädagogische und pflegerische Aufgaben nicht ganz voneinander trennen, weshalb die Integrationskraft auch die Anleitung des Lernstoffes und des Fördermaterials übernehmen kann.
Werden Kinder mit Fragilem-X Syndrom im Rahmen des Gemeinsamen Unterrichts beschult, kann deren Begleitung durch eine Integrationskraft oder Schulassistenz erforderlich sein.
Integrationskräfte können über die Eingliederungshilfe beim örtlichen Sozial- oder Jugendamt beantragt werden, in einigen Bundesländern geschieht dies direkt bei der zuständigen Schulaufsichtsbehörde.
Welche Aufgaben kann eine Integrationskraft übernehmen?
Je nach Hilfebedarf des Schülers können z.B. die folgenden Aufgaben übernommen werden:
Hilfe bei der Orientierung und Fortbewegung im Gebäude
Hilfe beim An- und Auskleiden, z.B. vor und nach dem Sportunterricht
Hilfe beim Toilettengang
Wiederholung der Aufgaben und persönliche Ansprache zur Verdeutlichung der erteilten Arbeitsanweisung durch die Lehrerkraft
Hilfe bei der Nutzung von Hilfsmitteln
Betreuung während der Pausen und beim Essen
Wer hat Anspruch auf eine Integrationskraft?
Personen, die durch ihre Behinderung wesentlich an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt sind, haben Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe gem. § 54 SGB XII. Dazu zählen auch Hilfen für eine angemessene Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht.
Wer bezahlt eine Integrationskraft?
Im Rahmen der Eingliederungshilfe gem. § 54 SGB XII werden die Kosten für eine Integrationskraft vom Sozialamt übernommen. Bei Kindern mit einer seelischen Behinderung (z.B. Autismus) können Leistungen des Jugendamtes gem. § 35 a SGB VIII in Anspruch genommen werden.
Wie kann sich die Integrationskraft adäquat vorbereiten?
Der folgende Katalog soll eine Hilfestellung für die Integrationskraft selber sein, um den Umgang mit dem Kind gut vorzubereiten.
Verhältnis zum Kind
Kenne ich das Kind bereits?
Hat es Vertrauen zu mir?
Wo braucht es meine besondere Hilfe und Unterstützung?
Wie kann ich das Kind in Krisensituationen ansprechen?
Verhältnis zu den Eltern
Stehe ich in regelmäßiger Verbindung zu den Eltern?
Welche Entscheidungen darf ich ohne Rücksprache treffen?
Wer ist wo in Notfällen erreichbar?
Akzeptanz in der Schule
Kennen die Eltern der Klassenkameraden mich und meine Funktion?
Welche Stellung habe ich in der Klasse, d.h. darf ich Klassenkameraden meines Kindes verwarnen?
Kennen alle Lehrer und Mitarbeiter der Schule (Hausmeister, Sekretärin) mein Kind und sind über die Besonderheiten im Umgang mit ihm informiert?
Organisatorisches
Benötigt mein Kind während der Schulzeit zusätzliche Pausen- und Auszeiten?
Gibt es dafür Rückzugsräume?
Sind diese frei zugänglich oder benötige ich die Schlüssel, um diese Räume aufsuchen zu können?
Gibt es abschließbare Fächer für eigene Fördermaterialien?
Arbeitsrechtliches
Wer ist mein Arbeitgeber?
Wer ist bei Fragen und Problemen mein Ansprechpartner in der Schule?
Welche Regelung gibt es, wenn mein Kind krank ist?
Wie erfolgt der Übergang in die Sekundarstufe I/II?
Nach 4 Jahren Grundschulzeit muss für die Schülerinnen und Schüler eine geeignete weiterführende Schule (Sekundarstufe I) gesucht werden. Dabei ist es zum einen möglich, die integrative Beschulung weiterzuführen oder einen Wechsel an eine Förderschule vorzunehmen. Beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I kann eine Überprüfung des Sonderpädagogischen Förderbedarfs erforderlich sein.
Die Vollzeitschulpflicht erstreckt sich in der Regel auf 9 Schulbesuchsjahre, in einigen Bundesländern bis zum Abschluss des 10. Schulbesuchsjahres. Ist ein Übergang in die Sekundarstufe II oder eine Berufsausbildung mit Berufsschulpflicht nicht möglich, so ist nach Abschluss der 9. Klasse ein Wechsel in die Werkstufe der entsprechenden Förderschule erforderlich.
Welche Schulabschlüsse können erworben werden?
Die Schulabschlüsse des entsprechenden Bildungsganges der Förderschule können von den Schülerinnen und Schülern erworben werden.
Wie erfolgt die Beurteilung der Leistung?
Kinder mit Fragilem-X Syndrom und Sonderpädagogischem Förderbedarf werden zieldifferent unterrichtet. Zusätzlich zu den Lehrplänen der entsprechenden Förderschule werden für jede Schülerin und jeden Schüler individuelle Förderpläne mit Lernzielen und Fördermöglichkeiten aufgestellt. Eine Beurteilung der Leistung erfolgt durch das Zeugnis der entsprechenden Förderschule.
Was muss zusätzlich berücksichtigt werden?
Die Ausstattung der Schule orientiert sich an den vorhandenen, örtlichen Gegebenheiten und ist häufig nicht so komfortabel wie an den entsprechenden Förderschulen. Grundsätzlich benutzen die Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf die gleichen Materialien wie die Regelkinder. Zusätzlich wird durch die sonderpädagogischen Fachkräfte spezielles Fördermaterial bereitgestellt. Der Unterricht findet in der Regel im gemeinsamen Klassenzimmer statt, gelegentlich wird für spezielle Fördereinheiten in Nebenräume ausgewichen, sofern diese vorhanden sind.
Störungen im normalen Unterrichtsalltag kommen immer wieder vor und werden den Kindern mit Fragilem-X Syndrom im gleichen Maße ″zugemutet″, wie den Regelkindern. Sport-, Pausen- und Freizeitbereiche werden zusammen mit den nichtbehinderten Mitschülern benutzt. Oft ist es aber nach Absprache möglich, erforderliche Ruhebereiche und -zeiten für Kinder mit Fragilem-X Syndrom einzurichten.
Die verpflichtenden Unterrichtszeiten sind beim Gemeinsamen Unterricht abhängig von denen der gewählten Allgemeinen Schule. Bei Allgemeinen Schulen in Halbtagsform ist zu bedenken, dass auch Schüler mit Sonderpädagogischem Förderbedarf im Rahmen ihrer Möglichkeiten Hausaufgaben anfertigen müssen.
Das Betreuungsangebot der Allgemeinen Schule (z. B. Hort, Übermittagsbetreuung, freiwillige Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag usw.) können die Schülerinnen und Schüler mit Sonderpädagogischem Förderbedarf in der Regel ebenfalls wahrnehmen. Dabei ist zu beachten, dass sich eventuell zu lange Arbeitszeiten (Einhaltung der gesetzlichen Pausenzeiten) für die Integrationskräfte ergeben können.
Therapiesitzungen während der Schulzeit sind nicht üblich. Bei Bedarf ist ein privates Engagement am Nachmittag erforderlich.