Die Bandbreite der liebsten Freizeitbeschäftigungen von Kindern und Jugendlichen mit Fragilem-X (kurz Frax) ist erfreulich groß. Ob in den eigenen vier Wänden, in Konzertsälen oder auf Open Air Veranstaltungen –„Musik hören“ belegt bei vielen Platz 1 der Hitliste. Gleichermaßen beliebt ist nur noch das Einkaufen gehen, und das trotz aller mit dem Einkaufserlebnis verbundenen Widrigkeiten, wie unguter Gefühle im Menschengedränge, Unsicherheit im Umgang mit Geld und dem langen Ringen um endgültige Kaufentscheidungen. Für die Einkaufsbegleiter ist es gut zu wissen, dass bei aller Vorfreude auf das Gekaufte ein Einkaufsbummel höchste Anforderungen an die Sinne der Betroffenen stellt und die Schwelle von Vorfreude zu Übererregbarkeit leicht überschritten werden kann.
Nach einem langen Tag einfach nur Fernsehen, am Computer spielen oder Faulenzen muss natürlich auch mal sein dürfen. Fast alle Erwachsenen haben Spaß am gemeinsamen Kochen zu Hause oder in einer Kochgruppe und sie sind wahre Grillmeister. Ein Highlight für viele ist der Restaurantbesuch, ganz gleich ob im Stammrestaurant um die Ecke oder in der Filiale einer Fast-Food Kette, diese Ereignisse werden geschätzt und genossen.
Von persönlichen Vorlieben, Fähigkeiten aber auch regionaler Verfügbarkeit hängt es ab, welche sportlichen Aktivitäten betrieben werden. Fußball, Judo, Schwimmen, Kegeln, Radfahren, Fitnessstudio, Reiten, Wandern – die Palette der Möglichkeiten ist breit. Sehr unterschiedlich ist der Grad des Unterstützungsbedarfes der Betroffenen. Braucht der eine nur das Angebot zu kennen und schon ist er eigenständig auf dem Weg, muss der andere erst motiviert und bestärkt werden, die eigenen vier Wände zu verlassen und vielleicht benötigt er sogar während der ganzen Unternehmung die Unterstützung durch eine persönliche Assistenz. Es gibt eine große Vielfalt von Freizeitangeboten für Menschen mit Behinderung. Die Frage nach vorhandenen Erfahrungen der Anbieter mit Menschen mit FraX sollte im Interesse der Betroffenen gestellt werden. Möglicherweise ist Aufklärungsarbeit erwünscht bzw. erforderlich.
Betreuungspersonen stehen vor der Herausforderung, einerseits die Freizeit als durch die Betroffenen selbst gestaltbare Zeit respektieren zu müssen, und andererseits sind sie gefordert, angemessen auf die syndromspezifischen Rückzugstendenzen zu reagieren. Mit Neuem tun sich Menschen mit FraX oft schwer. Angebote werden von ihnen häufig nicht aus Desinteresse abgelehnt, sondern die Betroffenen haben kein Bild von den an sie gestellten Erwartungen und das macht sie unsicher und ängstlich. Deshalb kann es passieren, dass selbst Angebote, die ihren Interessen entsprechen, von ihnen vehement abgelehnt werden. Unser Tipp: Ein bestehendes Gruppenangebot kann als Ausgangspunkt für neue Unternehmungen genutzt werden. Erwachsene mit FraX fühlen sich wohl in festen Gruppen, in denen sie ihre Freunde immer wieder treffen. Wenn mehrere Gruppenteilnehmer sich für eine neue Aktivität begeistern lassen, ist die Hemmschwelle für Betroffene meist niedriger, sich gemeinsam mit anderen auf ungewohntes Terrain zu begeben. Im Kreis von Menschen, die sich untereinander bereits kennen und miteinander vertraut sind, ist Betroffenen vieles möglich, was sie allein nicht schaffen würden.
Manchmal haben sie aber auch einfach keine Lust auf Aktivitäten. Am Respekt vor den individuellen Wünschen und dem Recht auf Selbstbestimmung darf es weder beim „nur Faulenzen“ noch bei „zu ungesunden“ Vorlieben fehlen.
Fördernde Faktoren für Freizeitunternehmungen:
- Regelmäßigkeit, feste bekannte Termine/Vorschau, nachvollziehbare Strukturierung der Aktivitäten ( z.B. Monatskalender zum Ankreuzen, Pictogenda etc. )
Andererseits sind wichtig:
- Impulse durch völlig neue Aktivitäten setzen, (z.B. gemeinsam Freizeitangebote vor Ort sichten oder im Programm der Volkshochschule nach Kursen wie Kochen, Trommeln, Entspannungstechniken, PC für Senioren, Selbstverteidigung, Theatergruppe etc. suchen )
- Für Gespräche über Liebeskummer, Frust u.a. gleichgeschlechtliche Betreuer/ Angehörige anbieten
- „Mittendrin“ – inklusive Veranstaltungen, wie Konzerte, Sportveranstaltungen, Vereinsfeiern schaffen Raum für Begegnungen mit anderen Menschen
- Impulse zu Aktivitäten über Vorbilder in Wohngruppe/Familie/Politik/Musik und Sport geben. Mittragen und Aushalten der intensiven Fan-Beziehungen
- Gesicherte Rückzugsmöglichkeiten, die räumliche Distanz zu anderen Personen selbst bestimmen zu können oder einfach nur „Zuschauer“ sein zu dürfen, gibt Menschen mit FraX Sicherheit, Vertrauen und das Gefühl in der Gemeinschaft klar zu kommen, akzeptiert zu werden
- Mobilitätstraining ermöglicht eigenständige Kontakte auch über größere Distanzen
- Reisen macht in der Gruppe mehr Spaß als mit den Eltern – Reiseangebote für Menschen mit Behinderung erleichtern das Loslösen vom Elternhaus
- Gerne werden Familienangehörige / Bekannte zu Konzertbesuchen, Ausflügen und Sportveranstaltungen begleitet – vor allem, wenn damit zugleich eine großzügige Einladung zu Essen und Getränken verbunden ist.
Erschwerende Faktoren für Freizeitunternehmungen:
- Eine verminderte Frustrationstoleranz kann zu Verweigerung, Aggressivität/Autoaggression und „Null-Bock“ Situationen führen
- Erwachsene Menschen mit FraX neigen durch eine fehlende Tagestruktur zu langem Schlafen, Gewichtszunahme, Desinteresse und Antriebsarmut
- Autistische Züge, Unruhe/zunehmende Agitation bei Überforderung, kaum verbales Äußern von Problemen stellen hohe Anforderungen an Trainer, Begleiter, Familie usw.
- Gefahr von unerkannten Verletzungen, da das Schmerzempfinden weit unter dem Durchschnitt liegt
- Fehlendes Zeitempfinden/Uhr erkennen, fehlendes Mengenverständnis
- Zur Realisierung von Wünschen wird Hilfe benötigt – z.B. bei Anträgen, Finanzierung, Planung
- Verabredungen mit Einzelpersonen z.B. Kino/Disco werden gerne vermieden
Literatur:
„Freizeit organisieren – so geht’s!“
Herausgeber: Bundesvereinigung
Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.
Internet:
Sportvereine/ Sportgruppen
mit Stichwort „Integrationssport“
Volkshochschulkurse im Ort
Spezial-Reiseveranstalter