Eine der schwierigsten Entscheidungen für Eltern eines Kindes mit Fragilem-X Syndrom ist die Wahl einer geeigneten Schule, werden doch damit die Weichen für das weitere Leben der Kinder in einem nicht unerheblichen Maße gestellt.
Das Recht und damit auch die Pflicht für Kinder mit Beeinträchtigungen auf eine angemessene Schulbildung und Berufsausbildung ist im Grundgesetz, in den Gleichstellungsgesetzen, im Sozialgesetzbuch XII und in den entsprechenden Landesverfassungen niedergelegt und durch die einzelnen Schulgesetze konkretisiert.
Deutschland hat mit seinem föderalen Bildungssystem ein stark differenziertes Angebot an Förderschulen, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Ebenso ist die Handhabung des Gemeinsamen Unterrichtes nicht für alle Bundesländer gleich.
Grundsätzlich unterscheidet man den Unterricht an Förderschulen und Sonder- oder Heilpädagogischen Förderzentren sowie den Gemeinsamen Unterricht an allgemeinbildenden Schulen, teilweise in kooperativer Form. Vereinzelt besteht die Möglichkeit, Kinder an Schulen in freier oder kirchlicher Trägerschaft zu unterrichten.
Ich suche eine geeignete Schule für mein Kind. Womit fange ich an?
Zu Beginn des Entscheidungsprozesses ist eine ausführliche Diagnostik der Einschränkungen aber auch der Fähigkeiten erforderlich. Die Bandbreite der intellektuellen Merkmale der Kinder mit Fragilem-X Syndrom reicht von leichten Lernschwierigkeiten bei normalem IQ bis zu schwerwiegenden Entwicklungsstörungen. Allen gemeinsam ist erfahrungsgemäß der besondere (Sonderpädagogische) Förderbedarf, der durch unterschiedliche Schulformen abgedeckt werden kann.
Was sagt der Sonderpädagogische Förderbedarf aus?
Der Sonderpädagogische Förderbedarf berücksichtigt die individuelle Lernsituation des Kindes. Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse des Kindes oder Jugendlichen, die zum Erreichen von schulischen Bildungszielen und beim Übergang in den Beruf erforderlich sind.
Für jeden Schüler wird ein Förderplan erstellt, der sich an den individuellen Fähigkeiten orientiert und auf den einzelnen Schüler bezogene Förderziele definiert.
Wer stellt den Sonderpädagogischen Förderbedarf fest?
Die Festlegung des Sonderpädagogischen Förderbedarfs erfolgt auf Veranlassung der zuständigen Schule oder Schulaufsichtsbehörde. Die Eltern haben ebenfalls die Möglichkeit, ein Feststellungsverfahren zu beantragen. Bei bekanntem Fragilem-X Syndrom ist es daher möglich, bereits vor Schuleintritt im Rahmen des Einschulungsverfahrens den Sonderpädagogischen Förderbedarf zu ermitteln.
Das Verfahren wird in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. Grundsätzlich besteht nach den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz ein Anspruch auf Sonderpädagogischen Förderbedarf, wenn ″Kinder oder Jugendliche […] in ihren Bildungs-, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten so beeinträchtigt sind, dass sie im Unterricht der Allgemeinen Schule ohne sonderpädagogische Unterstützung nicht hinreichend gefördert werden können.″ (Quelle: Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (1994): Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen der Bundesrepublik)
Die Feststellung des Sonderpädagogischen Förderbedarfs ermöglicht somit die Planung einer individuellen Förderung des Kindes und trägt zur Entscheidung über den Förderort bei.
Wer entscheidet über den Förderort?
An welcher Schule die Förderung umgesetzt wird, entscheidet die zuständige Schulaufsichtsbehörde in Form eines Bescheides. Dabei soll sie den Elternwunsch berücksichtigen, ist jedoch nicht daran gebunden, da auch organisatorische, personelle und sächliche Voraussetzungen (der s. g. Haushaltsvorbehalt im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 08. 10.1997) berücksichtigt werden müssen.
Erfahrungsgemäß hat es sich aber gezeigt, dass gut informierte Eltern mit klaren Vorstellungen für ihr Kind eine gute Chance haben, die gewünschte Schule bzw. Schulform auch zu realisieren. Deshalb ist es wichtig, sich frühzeitig mit diesem Thema zu beschäftigen und sich eine Meinung zu bilden. Unterrichtshospitationen und Beratungstermine in den entsprechenden Schulen bieten sich dazu an.
Welche Rechte haben wir als Eltern?
Als Eltern oder Erziehungsberechtigte können Sie die Feststellung des Sonderpädagogischen Förderbedarfs selber beantragen. Dabei haben sie die Möglichkeit während des Verfahrens Kontakt zu dem entsprechenden Gutachter aufnehmen und Einsicht in das Gutachten und die dazugehörigen Unterlagen nehmen.
Gegen die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde über Förderort und Förderbedarf können Eltern vor dem zuständige Verwaltungsgericht Klage erheben.