Die Diagnose “Fragiles-X” ist nicht nur auf Fragiles-X Syndrom (kurz FXS) beschränkt. Vielmehr muss man von einer Familiendiagnose sprechen, die insbesondere auch Auswirkungen für die von der Prämutation betroffenen Großväter (und in geringerem Außmaß Großmütter) von Kindern mit FXS haben kann.
Auf dieser Seite finden Sie Informationen über Fragiles-X assoziiertes Tremor/Ataxie Syndrom (FXTAS), die aktuell von Neurologen in Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft Fragiles-X e.V. speziell für Neurologen erstellt wurden und werden.
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Fragen und Antworten
Was ist FXTAS?
FXTAS steht für Fragile-X-assoziiertes Tremor-Ataxie-Syndrom. FXTAS ist ein neurologisches Krankheitsbild, das verursacht wird durch eine bestimmte genetische Veränderung (sog. Prämutation) im FMR1-Gen. Die Kernsymptome von FXTAS sind, wie der Name schon sagt, ein Tremor, oft ein gemischter Tremor (Ruhe-, Halte- und Zieltremor) meist überwiegend der Arme/Hände, und eine Gangataxie, also eine Gangunsicherheit, die zu Stürzen führen kann. Zum vielfältigen Spektrum an weiteren möglichen Symptomen zählen u.a. eine Demenz, eine Polyneuropathie, ein Parkinson-Syndrom, Persönlichkeits- oder Verhaltensänderungen, autonome Störungen (z.B. orthostatische Dysregulation, Inkontinenz).
Wer ist von FXTAS betroffen?
FXTAS tritt am häufigsten bei männlichen Trägern der FMR1-Prämutation nach dem 50. Lebensjahr auf, wobei die Penetranz mit zunehmendem Alter ansteigt und bei über 80jährigen bei ca. 70% liegt. Auch Frauen können betroffen sein, jedoch seltener und meist mit milderen und z.T. anderen Symptomen (z.B. häufiger Polyneuropathie, begleitende Schilddrüsenfunktionsstörung etc.). FXTAS tritt nur bei erwachsenen Trägern und Trägerinnen der FMR1-Prämutation (ca. 55-200 CGG-repeats) auf, nicht jedoch bei Trägern der FMR1-Vollmutation (> 200 CGG-repeats). Obwohl sowohl FXTAS als auch FXS durch genetische Veränderungen im FMR1-Gen verursacht werden, sind es zwei klinisch und pathogenetisch völlig unterschiedliche Syndrome.
Was ist die Ursache von FXTAS?
Nach derzeitigem Stand der Forschung spielt Toxizität einer erhöhten Menge von FMR1-mRNA, die aufgrund der FMR1-Prämutation gebildet wird, eine wesentliche Rolle in der molekularen Pathogenese von FXTAS. Hierdurch kommt es zur Sequestrierung bestimmter RNA-bindender Proteine, die nicht mehr ihre „normalen“ zellulären Funktionen erfüllen können, was wahrscheinlich u.a. durch mitochondriale Dysfunktion und eine Störung der Calcium-Homöostase zu den o.g. Symptomen, zur Bildung intranukleärer Einschlusskörper in Neuronen und Astrozyten und schließlich zur Neurodegeneration führt.
Wie kann man FXTAS diagnostizieren?
Eine Voraussetzung für die Diagnose von FXTAS ist der molekulargenetische Nachweis einer Prämutation (55-200 CGG-repeats) im FMR1-Gen. Zusätzlich gibt es sowohl radiologische als auch klinische und neuropathologische Kriterien, nach denen die Diagnose eines definitiven, wahrscheinlichen oder möglichen FXTAS gestellt werden kann (Hagerman and Hagerman, Lancet Neurology 2013, 12:786-798; s. Tabelle dort). Wegen des breiten Spektrums an möglichen klinischen und radiologischen Symptomen und der phänotypischen Variabilität ist die Diagnose jedoch generell schwierig zu stellen, und angesichts der Häufigkeit der FMR1-Prämutation (in Mitteleuropa ca. 1/130 bei Frauen, ca. 1/250 bei Männern) ist zu vermuten, dass die Erkrankung häufig nicht korrekt oder gar nicht diagnostiziert wird.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für FXTAS?
Die Therapie von FXTAS ist bislang rein symptomatisch, eine kausale Therapie existiert leider (noch) nicht. Entsprechend dem breiten Spektrum möglicher klinischer Symptome und der unterschiedlichen Ausprägung dieser Symptome ist diese symptomatische Therapie immer individuell und muss nach den im Vordergrund stehenden Symptomen ausgerichtet werden. Bislang gibt es leider keine kontrollierten klinischen therapeutischen Studien bei FXTAS. Steht z.B. der Tremor oder das Parkinson-Syndrom klinisch im Vordergrund, können Medikamente sinnvoll sein, die sich in der Behandlung des essentiellen Tremors (z.B. Primidon oder Propranolol) bzw. des idiopathischen Parkinson-Syndroms (z.B. L-Dopa) bewährt haben. Physiotherapie ist meist sinnvoll und notwendig, insbesondere hinsichtlich der cerebellär bedingten Gangstörung, die meist nicht wesentlich auf medikamentöse Therapie anspricht. In ausgewählten Fällen mit medikamentös therapierefraktärem Ziel- und Haltetremor kann die Tiefe Hirnstimulation im Nucleus ventralis intermedius des Thalamus (VIM) eine therapeutische Option sein, falls keine Kontraindikationen bestehen.
Welche Prognose gibt es für FXTAS-Patienten?
FXTAS ist eine progrediente Erkrankung. Bislang gibt es nur retrospektive, keine prospektiven Studien zum Verlauf der Erkrankung. Nach einer retrospektiven Studie bei 55 männlichen Patienten (Leehey et al., Mov Dis 2007, 22:203-206) beginnt die Erkrankung meist mit Tremor, nach ca. 2 Jahren kommt eine Gangataxie hinzu, nach ca. sechs Jahren gehäufte Stürze, nach ca. 15 Jahren die Notwendigkeit einer Gehhilfe, und nach ca. 16 Jahren Pflegebedürftigkeit bzw. Notwendigkeit der Unterstützung bei Alltagstätigkeiten. Nach ca. 21 Jahren führte die Erkrankung zum Tod, wobei die vorläufigen Daten zur Lebenserwartung sehr variabel waren (zwischen 5 und 25 Jahren).
Kann man FXTAS vorbeugen?
Leider kann FXTAS durch Behandlung weder geheilt noch aufgehalten werden. Es ist möglich, einzelne Symptome wie beispielsweise Zittern durch Arzneistoffe zu lindern. Auch Angststörungen und depressive Verstimmungen, die oft Symptome sind, sind mit entsprechenden Medikamenten behandelbar. Empfehlenswert ist außerdem eine gesunde Ernährung sowie ein gesunder Lebensstil.
Bekannte Gefäßrisikofaktoren wie Bluthochdruck, Cholesterinerhöhung und Diabetes mellitus sollten konsequent behandelt und optimal eingestellt werden. Nikotinabusus und Übergewicht sollten möglichst vermieden werden. Auch regelmäßige sportliche Betätigung (mind. 2 Std. pro Woche) insbesondere Ausdauersportarten wirken sich schützend auf die Gehirnzellen aus.
Wo findet man weiterführende Informationen?
Weitere Informationen finden sich z.B. unter www.fragilex.org, einer Website der Selbsthilfeorganisation National Fragile X Foundation, oder unter www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1384/ unter GeneReviews, einer regelmässig aktualisierten Website des National Center for Biotechnology Information (NCBI), wo sich auch ausführliche Informationen zu anderen erblichen Erkrankungen finden.