Das „Trocken werden“ mit Fragilem-X Syndrom (kurz FraX) geht in den seltensten Fällen schnell, die meisten Betroffenen schaffen es am Ende aber, ohne Windeln durchs Leben zu gehen. Aus vielen Elternberichten weiß man inzwischen, dass der Prozess ohne nennenswerte Hindernisse oder Probleme erfolgreich vonstatten gehen kann. In anderen Familien wird das Verhältnis von Eltern und Kindern auf eine harte Zerreißprobe gestellt, entmutigende Fehlversuche sorgen für Frust auf beiden Seiten. Was sich sicher über ein erfolgreiches Training sagen lässt ist, dass es nicht einfach nur später begonnen werden kann, sondern auch ein ganzheitlicher Ansatz gewählt werden sollte. Die speziellen Bedürfnisse von Kindern mit FraX und die Erkenntnisse über die Art und Weise, wie man Betroffenen am besten neue Inhalte vermitteln kann, sollten auch beim Toilettentraining berücksichtigt werden. In den unten stehenden Fragen und Antworten finden Sie dazu hilfreiche Informationen und Tipps.
Werden Kinder mit FraX trocken?
Es gibt nur wenige wissenschaftliche Literatur oder Studien zum Thema und kaum belastbare Zahlen, die sich ausschließlich auf Kinder mit FraX beziehen. Aus einem Überblick über vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse und aus vielen Berichten von Eltern lässt sich sagen, dass die große Mehrheit der Betroffenen trocken wird. Trocken meint, dass Tag und Nacht Harn und Stuhl selbstbestimmt in die Toilette abgeführt wird. Es gibt aber auch jugendliche und erwachsene Betroffene, die noch Windeln benötigen. Wie so oft beim FraX ist keine Prognose möglich. Es sind auch Betroffene auf Windeln angewiesen, die in vielen anderen Lebensbereichen überdurchschnittlich fit sind und sehr selbstständig agieren können. Weder kann man allein vom Zeitpunkt des Erreichens der Windelfreiheit Aussagen über den Schweregrad der Betroffenheit machen, noch kann man pauschal für die Inkontinenz die Betreuungspersonen verantwortlich machen. Selbst bei größter Anstrengung von allen Seiten, kann das gewünschte Ergebnis nicht zwingend herbeigeführt werden. Erfolg braucht nicht nur den Willen, sondern auch die nötigen psychischen und physischen Bedingungen.
Was macht das Toilettentraining besonders?
Die Sauberkeitserziehung ist bei Kindern mit FraX oft eine echte Herausforderung. Hinzu kommt, dass Eltern oder Betreuer im Alltag mit den vielen anderen kleinen und großen Herausforderungen, die das FraX mit sich bringt beschäftigt sind und die Sauberkeitserziehung deshalb lange ziemlich weit nach hinten gestellt wird. Alle Beteiligten haben auch oft das Gefühl, dass es zurzeit sowieso noch keinen Sinn macht. Dabei ist gerade bei Kindern mit Behinderungen ein möglichst frühzeitiges und konsequent durchgeführtes Toilettentraining extrem wichtig. Hierzu ist neben viel Ruhe, Zeit und Geduld auch eine gute Beobachtungsgabe und Fantasie gefragt. Kinder mit FraX scheinen häufig für ein gezieltes Toilettentraining nicht ansprechbar zu sein. Der Punkt ist, sie haben von sich aus wenig eigenen Antrieb, trocken zu werden. Ein Verständnis für das Thema muss erst sorgfältig aufgebaut werden. Ein Toilettentraining mit Kindern mit FraX muss gar nicht länger dauern, als mit normal entwickelten Kindern. Es sollte nur an die besonderen syndrombedingten und individuellen Erfordernisse des Kindes angepasst werden. Den besten Erfolg bringt ein aus allen zur Verfügung stehenden Informationen zusammengestelltes, ganzheitliches und auf die individuellen Stärken und Schwächen abgestimmtes Konzept. Wie auch immer man es macht, es sollte die Person aus dem Umfeld des Kindes mit der größten Ruhe und Geduld hauptverantwortlich mit dem Kind arbeiten.
Warum ist bei Kindern mit FraX der selbständige Toilettengang so ein schwieriges Thema?
Es gibt körperliche und psychologische Faktoren, die bei Kindern mit FraX die Ursache für ein verspätetes „Trocken werden“ bzw. ein sehr schwieriges Toilettentraining sein können.
Mit den neurologischen Besonderheiten beim FraX ist eine unzureichende Reizweiterleitung im Nervensystem verbunden. Bei einer vollen Blase meldet bei allen Menschen die Blasenwand eine entsprechende Botschaft ans Gehirn. Ist diese Reizleitung durch eine unzureichende Verarbeitung gestört, kann das Bedürfnis nicht ausreichend bewusst gemacht werden.
Unabhängig vom FraX kann zusätzlich eine organische Erkrankung die Ursache für verspätetes Trocken werden sein. Gerade bei kommunikationsbeeinträchtigten Kindern mit FraX, sollten vor einem Toilettentraining andere Beschwerden, die das Trocken werden verhindern, ausgeschlossen werden. Betroffene können Schmerzen oft nicht schildern oder nur unzureichend lokalisieren. Es ist besonders wichtig bei den Kindern, bei denen das Toilettentraining schon einmal abgebrochen werden musste, körperliche Ursachen durch entsprechende ärztliche Untersuchungen auszuschließen. Wenn der Toilettengang mit Schmerzen verbunden ist, sorgt das für Anspannung und schmälert die Aussichten auf Erfolg deutlich.
Wahrnehmungsstörungen verhindern auch oft, dass die Kinder mit FraX den Unterschied zwischen einer trockenen und einer vollen Windel überhaupt erkennen. Die modernen Windeln mit ihren guten Saugeigenschaften erschweren zusätzlich, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem unangenehmen Gefühl einer nassen Windel und dem Pipi machen herzustellen. Es kann dann helfen, eine Stoffeinlage in die Windel zu legen, die danach dann sehr viel stärker das Gefühl von Nässe erzeugt.
Kinder mit FraX können sich oft nicht so äußern wie andere Kinder. Es fehlt häufig an Kommunikationsmöglichkeiten, sich klar auszudrücken, wenn es einmal „dringend“ wird. Sind Kinder mit FraX aufgeregt, haben selbst diejenigen, die sonst über gute lautsprachliche Fähigkeiten verfügen, Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. Die fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten können dann zu Versagensängsten führen. Es gibt alternative Kommunikationsformen zur Lautsprache, die hier die Lage deutlich entspannen können. Sie können mit ihrem Kind Gebärden für den Toilettengang einüben oder sich auf andere Hilfsmittel verständigen. Ein Kind muss nicht sprechen können müssen, um zu sagen, dass es „muss“.
Es gibt aber Eigenschaften und Fähigkeiten, die ein Toilettentraining bei Kindern mit FraX erleichtern. Menschen mit FraX haben gute visuelle Fähigkeiten. Die Betroffenen lernen meist sehr gut durch nachahmen und abschauen. Sehr hilfreich ist auch: Die Kinder sind im Allgemeinen sehr empfänglich für Lob. Die Anerkennung der Menschen, die sie lieben, lässt sie vieles schaffen, was man eigentlich nicht für möglich hält. Loben sie ihr Kind trocken!
Lohnt sich die ganze Anstrengung?
Bei all den mögliche Problemen, die vor einem Toilettentraining abgeklärt werden sollten, bzw. Hinweisen, die für ein erfolgreiches Toilettentraining beachtet werden sollten. Lohnt sich da der ganze Aufwand, mögen sich einige Eltern fragen.
Babys müssen vom ersten Tag an gewickelt werden, ganz unabhängig von einer Behinderung. Als Eltern gewöhnt man sich mit den Jahren dann an das Wickeln, es geht schnell, unkompliziert und ist sicher. In einem Alltag, in dem die Behinderung des Kindes schon genügend Anstrengungen mit sich bringt, scheint also ein aufwändiges Toilettentraining nicht gerade Erleichterung zu schaffen. Dennoch sollten Eltern immer die Zukunft im Auge behalten. Je älter und schwerer die Kinder werden, desto aufwändiger wird das Wickeln für Pflegepersonen. Schwerer noch wiegen die Nachteile für das Kind selbst. Die Einschränkungen in der Autonomie nehmen zu, je größer der Pflegebedarf eines Kindes ist. Sei es bei Klassenreisen, Freizeitaktivitäten oder später im Beruf, wer regelmäßige Assistenz beim Windelwechseln braucht, hat erschwerte Bedingungen der Teilhabe.
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Damit ein konsequentes und zuweilen beschwerliches Toilettentraining bei Kindern mit FraX aber auch Sinn macht, sollten zunächst ganz grundlegende Bedingungen gegeben sein.
Trocken werden ist ein komplexer Vorgang. Um überhaupt trocken werden zu können, braucht ein Kind körperliche, geistige, sprachliche, motorische und psychische Mindestvorrausetzungen.
Eltern werden oft durch statistische Aussagen zum Entwicklungsstand verunsichert. Wenn ein Kind nicht kann, was es laut Tabelle XY können sollte, fühlen sich Eltern schuldig und verstärken ihre Bemühungen. Versuchen Eltern bei einem Kind mit FraX ein Toilettentraining zu früh oder mit einer unzureichenden Strategie, führt das bei Kind und Eltern zu Frustrationen und spätere Bemühungen können erschwert werden.
Um ihnen einen Anhaltspunkt zu verschaffen, was in welchem Alter „normal“ wäre, trotzdem hier zu Beginn ein paar Angaben, die gesunde, normal entwickelte Kinder betreffen. Mädchen sind nach Studien im Allgemeinen etwas früher trocken als Jungen. Mädchen sind meist mit ca. 3 Jahren Tag und Nacht trocken, die Jungen erst einige Monate später. Die Darmkontrolle ist meist vor der Blasenkontrolle möglich, oft schon vor dem 3. Lebensjahr. Das bedeutet, es ist leichter mit dem „großen Geschäft“ das Training zu beginnen. Auch bei Kindern ohne Behinderung klappt das Training nicht über Nacht. Man geht von 5-15 Monaten für das Toilettentraining aus. Bei den gesunden Fünfjährigen verfügen dann aber 80 % über eine perfekte Blasenkontrolle.
Derartige Angaben spiegeln nur eine mögliche Bandbreite der Entwicklung wieder, es sind keine Zielvorgaben! Wenn sie über ein Toilettentraining mit einem Kind mit FraX nachdenken, sollten sie sorgfältig prüfen, ob es die nötigen Entwicklungsschritte bereits vollzogen hat, denn nur dann ist ein Erfolg möglich.
Welche Mindestvoraussetzungen der Entwicklung muss mein Kind mitbringen?
Es ist unerlässlich für den gewünschten Erfolg, dass das Kind mit FraX „bereit“ für ein Toilettentraining ist. Auf die Toilette zu gehen, ist ein komplexer Prozess. Bei allen Kindern sind am Prozess des „Trockenwerdens“ körperliche, geistige, sensorische, motorische und sprachliche und psychologische Faktoren beteiligt. Für ein Kind mit FraX bedeutet das, in allen Bereichen, in denen es syndrombedingt Probleme haben kann, sind Fähigkeiten von ihm gefordert. An den vielfältigen Anforderungen, die an ein jedes Kind bei der Sauberkeitserziehung gestellt werden, können Eltern nichts ändern, wohl aber an der Art und Weise des Trainings. Die erste Herausforderung für Eltern ist, ihrem Kind kein Training zuzumuten, bevor es überhaupt bereit sein kann.
Die folgende Checkliste kann Eltern davor bewahren, ihrem Kind zu früh ein Training zuzumuten:
- Gibt es erkennbar trockene Phasen von mindestens zwei Stunden?
- Ist mein Kind in der Lage, den Unterschied zwischen trocken und nass zu erkennen?
- Hat mein Kind geeignete Mittel, ausreichend zu kommunizieren, ob die Windel gewechselt werden muss oder es auf die Toilette möchte?
- Kann und wird mein Kind einfache Anweisungen Schritt für Schritt befolgen?
- Kann mein Kind selbstständig eine einfache Hose ohne Verschlüsse rauf und runter ziehen?
- Kann mein Kind einige Minuten an einem Ort still sitzen ohne aufzuspringen?
Es ist auch möglich, mit nicht sprechenden Kindern zu trainieren. Gebärden oder Symbolkarten können die Lautsprache ergänzen. Ganz gleich, ob Ihr Kind sich verbal melden kann oder nicht, zu Beginn eines Toilettentrainings steht immer als erster Schritt das Herausarbeiten einer Regelmäßigkeit durch Beobachtung. Beobachten sie ihr Kind mit FraX, führen sie z.B. ein Tagebuch. Wenn sie Verhaltensmuster erkennen, z.B. bestimmte Uhrzeiten oder immer Stuhlgang nach Mahlzeiten, haben sie einen Ansatz, der für ein Toilettentraining aufgegriffen werden kann.
Was ist der geeignete Lernort für das Toilettentraining?
Den richtigen Startzeitpunkt für ein Toilettentraining für ein Kind mit FraX ist wichtig, ebenso die richtige Umgebung. Oft bringt der Eintritt in eine Kindertageseinrichtung gute Möglichkeiten mit sich, Aufmerksamkeit beim Kind für das Toilettentraining zu wecken. Kinder mit FraX lernen gut durch nachahmen. Das Lernvorbild in den anderen Kindern und optisch ansprechende, kindgerechte Waschräume können sie ganz von alleine neugierig machen. Es ist gut, wenn Erzieher dann ohne Zwang und Druck den Kindern die Möglichkeit geben, Toilettengänge auszuprobieren. Gerade für sehr leicht ablenkbare Kinder, kann die Unruhe und die Anwesenheit von mehreren anderen Personen im Waschraum aber auch sehr störend sein und Erfolge verhindern. Sie können sich nicht auf sich und ihren eigenen Körper konzentrieren. Eher ängstliche Kinder sind vielleicht nicht bereit, sich in fremder Umgebung und mit weniger vertrauten Bezugspersonen, als den Eltern auf Neuland zu bewegen. Nicht für alle Kinder mit FraX ist die Kita oder Schule der beste Ort für ein Toilettentraining. Sprechen sie Erzieher und Pädagogen dann offen an und überlegen sie gemeinsam das weitere Vorgehen. Wenn ein Kind auf zwangloses Angebote in Betreuungseinrichtungen nicht eingeht, kann es sinnvoll sein, den Start des Trainings in den Ferien in die häusliche Umgebung zu legen.
Wie mache ich meinem Kind klar, was ich von ihm möchte?
Haben sie sich als Eltern für ein Toilettentraining entschlossen und einen passenden Zeitraum und Ort gefunden, gilt es das Interesse ihres Kindes zu wecken.
Vielen Kindern mit FraX werden durch Veränderungen verunsichert. Sie halten gern an gewohnten Abläufen und Strukturen fest. Die Betreuungspersonen sehen im „Trocken werden“ vor allem die Chancen und Möglichkeiten. Für das Kind mit FraX liegt der Fokus vermutlich eher auf der Störung seines gewohnten Ablaufes. Es ist wichtig, sich als Betreuungsperson immer wieder bewusst zu machen, dass eine Einsicht in die Notwendigkeit des Toilettentrainings nicht vorausgesetzt werden kann. Weit in der Zukunft liegende Vorteile können vom Kind nicht erfasst werden. Vom Windelkind zum Toilettenbenutzer zu werden, darin sehen Kinder mit FraX für sich keinen Vorteil, sie bringen keine eigene Motivation mit.
Lenken sie das Interesse ihres Kindes zu Beginn gezielt auf das Thema trocken werden. Konzepte und Materialien für Kinder ohne Behinderung können ihnen dabei helfen, auch wenn sie diese nicht unverändert übernehmen können. Es gibt zahlreiche Bilderbücher zum Thema, wählen sie bewusst passende Bücher oder Filme aus. Fokussieren sie ihr Kind. Lesen sie dann nur aus diesen vor, schauen nur entsprechende Filme und spielen mit Stofftieren oder Puppen entsprechende kleine Rollenspiele mit ihrem Kind. Lassen sie ihr Kind die Lieblingsfigur selbst auf das Töpfchen oder die Toilette setzen, damit es das Gefühl hat, die Situation kontrollieren zu können. Fast alle Kinder mit FraX lieben salzige Knabberartikel. Hier sind sie als Hilfsmittel erlaubt. Lassen sie das Kind salziges essen und geben sie ihm dann viel zu trinken. Wenn sie mögen, lassen sie ihr Kind zusehen, wie sie die Toilette nutzen. Kündigen sie deutlich in kurzen Sätzen an, was sie tun werden.
Schaffen Sie sich für den Start ablenkungsfreie Zeit allein mit ihrem Kind. Planen Sie mindestens ein Wochenende dafür ein. Wenn es irgendwie organisatorisch möglich ist, bleibt die ruhigste und geduldigste Pflegeperson am besten mit dem Kind allein zuhause.
Vermitteln Sie anschaulich, loben Sie überschwänglich jeden kleinen Schritt in die gewünschte Richtung. Schon das Platznehmen auf der Toilette kann ein Kind mit Frax Überwindung kosten. Manchen hilft es, dabei anfangs noch die Windel anbehalten zu dürfen. Manche sind übersensibel für Gerüche, Badezimmer duften nach vielen Kosmetika und Pflegemitteln. Für einige Kinder kann das unangenehm sein. Räumen sie dann das Bad frei und lüften sie oft. Optische Reize durch blinkende Spiegel, helle Lichter und reflektierende Fliesen können auch eine Überforderungssituation auslösen. Beobachten sie ihr Kind genau und versuchen sie es nicht zu überfordern. Elterliche Apelle, dass „groß werden“ bedeutet, auf die Toilette zu gehen, können unbestimmte Ängste auslösen. Unter „groß werden“ kann sich kein Kind etwas vorstellen. Greifbare Anreize, sichtbar positioniert motivieren weit besser. Stellen sie z. B ein Spielzeug, das sich ihr Kind wünscht, als Belohnung in Aussicht. Einige Kinder sprechen gut darauf an, wenn das Objekt der Begierde schon einmal als zusätzlichen Anreiz im Badezimmer positioniert wird. Andere werden dadurch so aufgeregt, dass kein ruhiges Sitzen möglich ist. Finden sie ihren eigenen Weg heraus.
Die meisten Kinder sind für Lob sehr empfänglich. Sie freuen sich über soziale Erfolge und ehrliches, freudiges Lob motiviert sie ausreichend. Ein zusätzliches Belohnungssystem ist nicht nötig. Ein toller in Aussicht stehender Sticker kann manche Kinder sogar so vom eigentlichen „Geschäft“ ablenken, dass der Erfolg ausbleibt. Bei anderen, häufig bei den schon etwas älteren Kindern mit mehreren Fehlversuchen kann ein zusätzlicher Anreiz hilfreich sein. Überlegen sie sich ein Belohnungssystem für die erste Zeit. Für jedes kleine Geschäft gibt es einen kleinen Sticker mit dem Lieblingshelden und für jedes große Geschäft auf der Toilette gibt es einen Sticker mit Glitzer. Hier sind Ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Sie können auch nach einer bestimmten Anzahl von Stickern mit einer größeren Belohnung locken. Das sollten sie ganz nach ihren und vor allem den Interessen des Kindes gestalten.
Auch gute Vorsätze können hinderlich sein – wenn es zu viele sind. Konzentrieren sie sich als Eltern auf ein Ziel zur Zeit. Aktives Toilettentraining ist genug Anstrengung für alle Beteiligten, stellen sie andere Erziehungssaufgaben während der ersten Phase des Trainings zurück. Grundsätzlich gilt, ein Toilettentraining nur in einer Zeit zu starten, in der keine weiteren größeren Umbrüche und Stresssituationen zu erwarten sind.
Wie schaffe ich es, dass mein Kind überhaupt auf der Toilette richtig sitzen bleibt?
Auf der Toilette angstfrei Platz nehmen ist das eine, lange genug sitzen zu bleiben, bis sich ein Erfolg einstellt, das andere, was sie ihrem Kind beibringen müssen. Auch auf den richtigen Sitz kommt es an. Abhängig von der Höhe der Toilette und der Körpergröße ihres Kindes, können Hilfsmittel erforderlich sein. Achten sie auf einen entspannten Sitz, das hilft bei der Entspannung der Beckenbodenmuskulatur. Eine optimale Sitzhaltung sähe ungefähr so aus: Die Füße stehen fest auf dem Boden oder einem Hocker und die Beine sind angewinkelt. Der Oberkörper ist leicht nach vorne gebeugt und die Arme werden auf den Oberschenkeln aufgestützt. Üben sie den Sitz spielerisch und „trocken“ im Kinderzimmer, spielen sie z. B. Kutsche fahren und machen sie die entspannte Haltung des Kutschers vor.
Vielleicht sitzt ihr Kind fröhlich und freiwillig ausreichend lange auf der Toilette. Vielleicht klappt das am Anfang aber auch noch nicht von allein. Machen sie ihrem Kind nicht nur deutlich, was sie von ihm erwarten, sondern auch wie lange. Ängstliche Kinder springen oft zu schnell wieder auf. Dann kann man das stillsitzen trainieren. Gut können hierbei alle zeitstrukturierenden Hilfsmittel der Unterstützten Kommunikation zum Einsatz kommen. Lassen sie die Zeit, die das Kind aushalten soll sichtbar rückwärts verstreichen, loben sie jede ausgehaltene Zeiteinheit überschwänglich und freuen sie sich mit ihrem Kind, wenn die vereinbarte Dauer geschafft wurde. Nicht bei jedem Kind ist eine so kleinteilige Vorgehensweise nötig. Es ist wichtig, die einzelnen Schritte möglichst passend an den individuellen Entwicklungsstand des Kindes anzupassen, um Enttäuschungen und Fehlschläge zu vermeiden. Vor allem bei Kindern, die bereits mehrere fehlgeschlagene Phasen des Toilettentrainings durchlaufen haben, ist es wichtig, die Anforderungen in so kleine Schritte aufzuteilen, dass auch diese Kinder Erfolge sehen. Nichts motiviert mehr, als der eigene Erfolg.
Wie lange dauert das „Trocken werden“?
Das Toilettentraining bei Kindern ohne FraX dauert nach Studien zwischen 5 und 15 Monaten. Alle Eltern müssen also eine lange Zeit der Geduld aufbringen, bis die Wäscheberge kleiner werden und man sich entspannt ohne Windeln durch den Tag bewegen kann. Bei Kindern mit FraX muss es nicht länger dauern, als bei nicht beeinträchtigten Kindern, es bedarf nur eines ganzheitlichen, passgenauen Konzeptes. Es gibt zahlreiche Berichte von Eltern, dass innerhalb eines ähnlichen Zeitraums die Sauberkeitserziehung zufriedenstellend geklappt hat. Andere Familien berichten, dass es trotz zahlreichen Anläufen selbst bei älteren Kindern oder Erwachsenen leider noch nicht gelungen ist, sich von den Windeln zu verabschieden. Für beide Gruppen gilt: Dran bleiben!
Es gibt sie nicht, die eine, verlässliche Methode für alle Fälle. Es ist ein Weg des Suchens und Findens in kleinen Schritten und ein Erfolg lässt sich nicht erzwingen. Wenn man sich einmal auf den Weg gemacht hat, niemals wieder zurück kehren zu Windeln. Ein kleines Malheur muss man vielleicht öfter in Kauf nehmen, als bei anderen Kindern. Betroffene, die schon lange und zuverlässig die Toilette nutzen, können in emotional aufregenden Situationen oder unter großem Stress noch einnässen oder einkoten. Bei einigen Betroffenen muss man eventuell dauerhaft Abstriche hinnehmen, was die selbstständige Körperreinigung nach dem Toilettengang betrifft.
Trotz allem: Der Zugewinn an Autonomie durch Windelfreiheit ist diesen Preis wert.
Gibt es Medikamente gegen Inkontinenzstörungen?
In Einzelfällen konnte unter einer sehr niedrigen Dosis Sertralin bei Jungs mit Vollmutation offenbar eine bessere Wahrnehmung und Kontrolle der Ausscheidungsfunktionen erzielt werden. Diese Beobachtung könnte sich aus dem Umstand erklären, dass auch ein SSRI/SNRI (Duloxetin), auf dem Markt ist (z.B. Yentreve), welches zur Behandlung von Belastungsinkontinenz zugelassen ist. Man geht davon aus, dass durch die SSRI/SNRI-Wirkung die Fähigkeit zur Anspannung des Sphinktermuskels gesteigert wird.
Einige Kinder mit FraX haben auch eine „nervöse“ oder „überaktive“ Blase, die sich einfach nicht ausreichend entspannen kann, um ein ausreichendes Füllungsvolumen zu erreichen. Die Folgen sind unkontrolliertes und/oder sehr häufiges Wasserlassen. Bei diesen Kindern kann es – nach gründlicher fachärztlicher Abklärung – hilfreich sein, Mictonetten (Wirkstoff Propiverin) einzusetzen. Dieses Medikament, ein Blasenspasmolytikum, hemmt die Anspannung des Blasenmuskels (Detrusor) und erhöht so die Speicherkapazität der Harnblase. Es lohnt sich auch, auf eine regelmäßige Entleerung des Darms zu achten (gesunde Ernährung, ausreichend trinken, in Ruhe regelmäßig auf die Toilette), da ein übervoller Darm auch eine Harninkontinenz begünstigen kann.