Der Weg bis zur Diagnose “Fragiles-X” (kurz FXS) beginnt meist aus der Erkenntis der Eltern heraus, dass Entwicklungsverzögerungen und/oder Auffälligkeiten beim Kind vorliegen.
Es folgt meist eine Phase der Unsicherheit und des Wartens auf Seiten des Pädiaters und der Eltern in der Hoffnung, dass eine Verbesserung/Normalisierung der Entwicklung einsetzt. Bis zur endgültigen Abklärung der Ursache der Entwicklungsauffälligkeiten vergehen etwa 1-2 Jahre im Falle von männlichen Betroffenen, viele weibliche Betroffene werden aufgrund des zweiten X-Chromosoms deutlich später oder auch nie diagnostiziert.
Die Diagnoseübermittlung ist ein sehr kritischer Zeitpunkt und erfordert Detailwissen zum FXS. Wir wollen versuchen, dieses Detailwissen in den verschiedenen das FXS betreffenden Themenbereichen darzustellen/zu vermitteln und dabei insbesondere auf Therapie- und Fördermöglichkeiten hinzuweisen. Denn die Diagnose bedeutet keineswegs ein vorzeitiges Ende der Entwicklung des Kindes, sondern muss vielmehr zur Erkenntnis führen, dass das Kind in seiner weiteren Entwicklung auf besondere Unterstützung angewiesen ist.
Therapien wie Logopädie, Krankengymnastik, Ergotherapie führen häufig zu entscheidenden Entwicklungssprüngen und zeigen gute Erfolge. Der Pädiater lernt das Kind über die Jahre kennen und die Kinder/Jugendlichen gewöhnen sich an die Besuche bei ihrem Arzt. Die ambulante Versorgung im Kindesalter ist im Allgemeinen gut. Stationäre medizinische Versorgung stellt aber meist eine besondere Herausforderung dar. Menschen mit FXS als „normale“ Patienten erfordern einen besonderen Umgang bei Diagnose und Therapie von Erkrankungen. Aufgrund von taktiler Abwehr, Kommunikationsschwierigkeiten, sozialer Scheu, “Nicht-Verstehen” und Einsicht der vielleicht nötigen und manchmal auch schmerzhaften Behandlungen ist es für die behandelnden Ärzte oft schwer, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit FXS in der gewohnten Patientenroutine zu untersuchen und zu therapieren. Wir wollen versuchen, im Folgenden auf die besonderen Belange von Menschen mit FXS in der medizinischen Versorgung hinzuweisen.
Fragen und Antworten
Welche Tipps gibt es für den Umgang mit Patienten mit FXS?
Patienten mit FXS stellen Ärzte und Zahnärzte manchmal vor echte Herausforderungen. Kinder und auch Erwachsene mit FXS sind in unbekannten Situationen äußerst unsicher. Sie reagieren ängstlich auf eine neue Umgebung, eventuell auch das Licht, fremde Geräusche oder Gerüche. Abgesehen von der häufig vorhandenen, generellen Ablehnung von Körperkontakt ist eine nötige Behandlung vielleicht auch unangenehm oder gar schmerzhaft. Eltern können Ihre Kinder gut darauf vorbereiten, aber auch Sie als Ärzte können einiges tun, damit Ihrem Patienten mit FXS ein Besuch in Ihrer Praxis leichter fällt und er/sie sich kooperativ verhält.
Hier sind einige Tipps, die sich für die Vorbereitung von Arztbesuchen mit Kindern mit FXS bewährt haben – die meisten von ihnen sind auch auf erwachsene Patienten mit FXS übertragbar.
- Bestellen Sie, wenn möglich, die Eltern vorab zu einem Termin und befragen Sie sie über die Besonderheiten ihres Kindes und unterrichten Sie auch Ihre Arzthelferinnen darüber.
- Vielleicht erlauben Sie den Eltern bei diesem Besuch, Fotos von der Praxis und den Mitarbeitern machen zu dürfen, die sie zu Hause zur Vorbereitung Ihrem Kind zeigen können.
- Machen Sie für Patienten mit FXS Termine ohne (oder mit sehr kurzer) Wartezeit möglich und bitten Sie die Eltern, nicht allzufrüh vor dem Termin zu kommen.Vielleicht ermöglichen Sie auch einen Termin nach Praxisschluss oder an einem Mittwochnachmittag – mit ganz leerem Wartezimmer?
- Vereinbaren Sie einen Termin für das Kind zum Kennenlernen der Praxis, des Arztes und der Helferinnen. Verzichten Sie bei diesem ersten Termin auf jede Untersuchung.
- Vielleicht können Sie, wenn die Furcht des Kindes zu groß ist, den Eltern erlauben, ab und zu mit ihrem Kind in der Praxis vorbeizuschauen, kurz die Sprechstundenhilfe zu begrüßen und vielleicht auch 10-15 Minuten mit einem Buch im Wartezimmer zu verbringen.
- Versuchen Sie, schmerzhafte Untersuchungen oder Behandlungen wie Blutabnehmen vorher spielerisch an einem Kuscheltier zu zeigen, lassen Sie für die Behandlung das Kind auf dem Schoß der Eltern Platz nehmen.
- Bei manchen Kindern wirken auch Belohnungen gut. Unbedingt darauf achten, dass die Absprachen klar und für das Kind leicht nachzuvollziehen sind – und: halten Sie Ihren Teil der Absprache immer ein!
- Wenn es Geschwister gibt, hilft es auch, Rollenspiele anzuregen, in denen Kuscheltiere behandelt werden, Verbände bekommen, Spritzen, Zahnuntersuchungen – dies können die Familien zu Hause leisten.
- In Buchhandlungen gibt es einige Bücher zum Thema – schon für ganz kleine. Wenn das Kind gern Bücher anschaut und Geschichten zuhört, kann das auch eine gute Methode sein, es vorzubereiten (z.B. für kleine Kinder „Bald bin ich wieder gesund“ aus der Reihe „Wieso? Weshalb? Warum? Junior“ oder für etwas ältere Kinder „WWW – Zu Besuch beim Kinderarzt“ – beide erschienen im Verlag Ravensburger). Regen Sie Eltern an, dies zu versuchen.
- Für sehr aufwendige oder langwierige Behandlungen oder Untersuchungen kann man natürlich auch eine Sedierung in Betracht ziehen. Jedoch ist nach Möglichkeit eine Behandlung ohne Narkose vorzuziehen.
Ist eine langfristige Genehmigung von Therapien bei FXS möglich?
Viele FXS-Betroffene waren bisher mit dieser Möglichkeit der Verordnung außerhalb des Regelfalles ausreichend mit den für sie notwendigen Therapien versorgt. Es kam aber auch häufig vor, dass Ärzte den Eltern mitteilten, dass die Höchstzahl an Behandlungen erreicht ist und daher eine Behandlungsunterbrechung notwendig ist. Hintergrund ist: Der Arzt ist zum verantwortungsvollen Umgang mit den Ausgaben der Krankenkasse verpflichtet und muss im Falle einer Wirtschaftlichkeitsprüfung gegenüber der Krankenkasse schlüssig und umfassend begründen, warum es notwendig war, die Therapiemaßnahmen außerhalb des Regelfalles fortzusetzen. Andernfalls drohen ihm Regressforderungen seitens der Krankenkasse.
2011 wurde nun zusätzlich zu dieser bereits bestehenden Möglichkeit der Verordnung außerhalb des Regelfalls die so genannte langfristige Heilmittel-Genehmigung nach § 8 Abs. 5 in die Verordnungsrichtlinien aufgenommen. Das Kriterium „dauerhafter Heilmittelbedarf“ ist dann gegeben, wenn das vorhandene Krankheitsbild in die „Liste über Diagnosen mit langfristigem Heilmittelbedarf im Sinne von § 32 Abs. 1 a SGB V“ aufgenommen worden ist. In der Folge können per Antrag bei der Krankenkasse die medizinisch notwendigen Therapien für mindestens ein Jahr genehmigt werden. Der betreuende Arzt kann bei dieser genehmigten Verordnung sicher sein, dass die notwendigen Heilmittel/Therapien nicht einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden. Zu beachten ist, dass die Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfes nicht mit einer Dauerverordnung zu verwechseln ist. Die Anzahl der Behandlungen pro Verordnung sind vom Arzt so festzulegen, dass sie mindestens zu einer Vorstellung des Patienten pro Quartal führen.
Der Vorstand der Interessengemeinschaft Fragiles-X hat sich dafür eingesetzt, dass das FXS demnächst auch wie schon andere Syndrome z.B. das Down-Syndrom auf dieser Indikationenliste für die langfristige Genehmigung von Heilmitteln aufgenommen wird. Auch Ärzte wären dann zur Begründung der langfristigen Therapie-Verordnung gegenüber der Krankenkasse abgesichert. Der Vorstand hat nachhaltig darauf hingewiesen, dass bereits kurze Behandlungspausen die Therapieerfolge bei den FXS-Betroffenen gefährden können. Schon nach wenigen Wochen werden nicht genutzte Fähigkeiten wieder verlernt. Dazu kommt, dass die Therapien häufig zum festen Wochenritual der Betroffenen gehören. Zu den Therapeuten entwickeln sich oft enge Beziehungen. Behandlungsunterbrechungen werden von den Betroffenen häufig als Beziehungsabbrüche erlebt und können Ängste auslösen oder verstärken. Zu Beginn einer neuen Therapieeinheit muss die Vertrauensbasis erst mühsam wieder hergestellt werden.
Bis zu der endgültigen Aufnahme des FXS in die entsprechenden Listen sollen den Betroffenen keine Nachteile bei der Verordnung entstehen. So besteht die Möglichkeit, mit dieser Diagnose auch unabhängig von der Liste einen Antrag auf langfristige Genehmigung von Heilmitteln bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen. Zum anderen ist eine Verordnung außerhalb des Regelfalles (nach § 8 Abs. 4) möglich, auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 5 noch nicht vorliegen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe konnte die Zusage erwirken, dass die Liste überarbeitet wird, wenn sich Versorgungsprobleme zeigen. Sollten Sie also mit Ihrem Kind oder Ihrer Betreuungsperson Probleme mit der nahtlosen Verordnung von Therapien/Heilmitteln haben, melden Sie sich bitte bei der Geschäftsstelle der Interessengemeinschaft.
Um Missverständnissen vorzubeugen – es geht nicht darum, Menschen mit FXS um jeden Preis jede denkbare Therapie angedeihen zu lassen. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass über Art und Dauer der Therapie der individuelle Bedarf der Betroffenen und nicht eine festgelegte Höchstzahl von Verordnungen entscheidet. Ziel muss es sein, für alle Betroffenen eine fortlaufende Therapie zu gewährleisten, wenn ein andauernder Behandlungsbedarf zu erwarten ist.
„Genehmigung langfristiger Heilmittelbehandlungen nach § 32 Abs. 1a SGB V in Verbindung mit § 8 Abs. 5 Heilmittel-Richtlinie“ ist im Internet als pdf >>>hier<<< zu downloaden. In dieser Liste ist wie erwähnt FXS noch nicht enthalten, aber die in der Liste den ICD-10-Codes F84.1, F84.4 und F84.8 entsprechenden Diagnosen treffen auf quasi alle Betroffenen des FXS zu.
Fragen und Antworten zur Anamnese und Diagnostik
Welche Symptome sind typisch für FXS?
Häufig auftretende Symptome beim FXS:
Körperliche Auffälligkeiten
- Als Säugling schwacher Saugreflex, vergrößerter Kopfumfang, erhöhtes Geburtsgewicht
- Längliche Gesichtsform mit breitem Kinn und großen, häufig abstehenden Ohren (ausgeprägter im Erwachsenenalter)
- Starker Speichelfluß, häufig offener Mund
- Muskelschlaffheit (“Hypotonie”)
- Überstreckbare Gelenke
- Schlechter Gleichgewichtssinn
- Vergrößertes Hodenvolumen (“Makroorchidie”, bei 40% aller Betroffenen vor und bei 80% aller Betroffenen nach der Pubertät)
- Hautleisten- und Hautfurchenbesonderheiten (z.B. Vierfingerfurche)
- Seltener: Epilepsie, Mitralklappenprolaps
Auffälligkeiten in der Entwicklung
- verzögerte Sprachentwicklung
- Erhebliche grob- und feinmotorische Defizite
- Lang anhaltende Inkontinenz
- Fehlende oder eingeschränkte Empfänglichkeit für optische, akustische und sensorische Reize
Auffälligkeiten im Verhalten
- Hyperaktivität
- Handwedeln, Handbeißen
- Schlingt beim Essen
- Ängstliche Reaktion auf neue Umgebungen/Situationen
- Angstzustände, vorwiegend in ungewohnten (Stress-) Situationen
- Soziale Scheu, z.B. Vermeidung von direktem Blickkontakt
- Autistische Verhaltenszüge
- Kaut auf Büchern, Kleidung
- Steckt alles in den Mund
- Wacht sehr früh auf, leichter Schlaf
- Emotional labil (schnelle Stimmungsschwankungen)
- Liebt es, mit Wasser zu spielen
- Liebt es, mit Lichtschaltern zu spielen (an und aus)
- Steckt Finger in Mund und Ohren
- Erkennt Gefahren nicht
- Spielt gerne mit Türen (öffnen und schließen, insbesondere automatische Türen, z.B. Fahrstuhl)
- Läuft auf Zehenspitzen
- Desinteresse an Umwelteindrücken
- Fehlen jeglicher kindlicher Neugier
Auffälligkeiten in der Sprache
- Stark verzögerte Sprachentwicklung
- Undeutliche und verwaschene Aussprache (“nuscheln”, “poltern”)
- Langes Beharren auf Gedankeninhalten, Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen (“Perseveration”)
- Zwanghafte Wiederholung von Sätzen oder Wörtern (“Echolalie”)
Welche Besonderheiten gibt es in der Schwangerschaftsplanung, im Schwangerschaftsverlauf oder im Rahmen der Entbindung?
Aufrund der hormonellen Besonderheiten bei Trägerinnen einer Prämutation und FXPOI ist die Inzidenz von Mehrlingsgraviditäten erhöht.. Bis auf die allgemeinen Risiken bei einer Mehrlingsschwangerschaft (Frühgeburt, Gestationsdiabetes u.a.) treten Probleme in vergleichbarer Häufigkeit auf wie bei Frauen ohne diese spezifische genetische Veränderung. In jedem Fall sollten die Schwangerschaften entsprechend der Mutterschaftsrichtlinien engmaschig überwachst werden. Auf die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik sollte eine Patientin hingewiesen werden. Ebenso sollte jeder Patientin frühzeitig eine genetische Beratung angeboten werden, damit entsprechende Fragen zur Vererblichkeit oder zur möglichen molekulargenetischen Präimplatationsdiagnostik oder Pränataldiagnostik (Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese) besprochen und geplant werden können.
Es empfiehlt sich eine Vorstellung in einer entsprechend geeigneten Geburtsklinik in der 34.-36. SSW zur Planung der Geburt. Im Rahmen der Entbindung sollten zwei Dinge berücksichtigt werden. Vollnarkosen (zum Beispiel im Rahmen einer Sectio oder manuellen Placentalösung) sollten – soweit möglich – bei Trägerinnen der Prämutation wegen der Erhöhung des Risikos einer vorzeitigen Neurodegeneration mit Tremor und Ataxie (FXTAS) vermieden werden. Lokalanästhetika (zum Beispiel vor der Durchführung einer Episiotomie) sind bei vielen Trägerinnen einer Prämutation deutlich schlechter wirksam und müssen daher in einer höheren Dosis appliziert werden bzw. es müssen stärker wirksame Präparate als üblich verwendet werden. Bei Periduralanästhesien lässt sich dieses Phänomen etwas seltener beobachten.
Da es gelegentlich auch schon bei Frauen unter 30 Jahren zu vorzeitigem Eierstockversagen (FXPOI) kommen kann, sollte ein bestehender Kinderwunsch nicht unnötig lange aufgeschoben werden. Etwa 20% der Frauen mit Prämutation sind von FXPOI betroffen Die Beratung und Betreuung hinsichtlich eines Kinderwunsches von Trägerinnen einer Prämuation sollte von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen erfolgen.
Welche klinischen Zeichen können bei einem Säugling / Baby im ersten Lebensjahr auf FXS hinweisen?
Häufig finden sich muskuläre Hypotonie, Bindegewebsschwäche und überstreckbare Gelenke. Einige Babys haben aufgrund der Hypotonie auch eine Trinkschwäche und oft spucken die Säuglinge vermehrt, insbesondere beim Hinlegen und bei Aufregung (Reflux). Auffallend ist auch eine übermäßige Erregbarkeit (anhaltendes Schreien) der Kinder bei leicht erhöhtem Lärmpegel oder „üblichen“ Abweichungen im Tageablauf (z.B. Besuch). Blickkontakt wird oft kürzer als bei anderen Gleichaltrigen gehalten. Die motorische Entwicklung verläuft fast immer verzögert (Kopfkontrolle, sich abstützen, umdrehen). Äußerlich weisen manche der Kinder bereits auffallend große und/oder abstehende Ohren auf, die Haut erscheint oft besonders weich und leicht verletzlich.
Welche Hinweise auf FXS finden sich im Kleinkind- oder im Kindergartenalter?
Neben der in den meisten Fällen verzögerten grob- und feinmotorischen Entwicklung (spätes Sitzen, Krabbeln und Laufen, ataktischer breitbeiniger Gang mit schlenkernden Gliedmaßen) findet sich v.a. bei Jungs mit FXS auch eine deutlich verspätete Sprachentwicklung (Verständnis deutlich besser als Produktion). Hinzu kommen meistens eine deutliche motorische Unruhe, eine nur kurze Aufmerksamkeitsspanne, eine verminderte Frustrationstoleranz, vermehrte Impulsivität, teilweise übermäßige Ängste, aber auch das Verkennen von Gefahren. Bei Aufregung / Stress kann man oft Handwedeln oder auch Handbeißen beobachten. Sehr gerne werden auch (bei vermehrtem Speichelfluss und Mundatmung) Ärmel und Kragen „angenagt“. Etwa 20% der Kinder haben unterschiedlich ausgeprägte autistische Züge, viele entwickeln Zwänge und beharren sehr auf Ritualen. Bei Mädchen findet sich zudem oft eine ausgeprägte Schüchternheit, gelegentlich auch selektiver Mutismus. Im Alter von ca. 3-4 J. kommt es bei ca. 20% insbesondere der Jungs zu epileptischen Anfällen, die dann oft eine medikamentöse Einstellung erfordern. Die Sauberkeitsentwicklung ist häufig deutlich verspätet. Viele der Kinder bleiben bis in´s Schulalter sehr infektanfällig, wobei es im Rahmen gehäufter Atemwegsinfekte dann auch zu wiederholten, z.T. unbemerkten Mittelohrentzündungen (mit Mucoserotympanon und Hörminderung) kommt. Häufig scheinen die Kinder nur relativ wenig Schlaf zu benötigen und wachen (sehr) früh auf.
Was lässt bei Schulkindern mit Entwicklungsretardierung und Verhaltensauffälligkeiten an FXS denken?
Da betroffene Jungen nur das eine (defekte) X-Chromosom besitzen, liegen ihre kognitiven Fähigkeiten nahezu immer im Bereich der geistigen Behinderung, die Ausprägung kann jedoch etwas variieren. Neben den beschriebenen Auffälligkeiten bei den jüngeren Kindern, kommen bei den Kindern im Schulalter insbesondere Beeinträchtigungen beim Erlernen der Kulturtechniken hinzu. Besonders stark beeinträchtigt sind die mathematischen Fähigkeiten, relativ gut dagegen ist die visuelle Wahrnehmung. Eine relative Stärke stellt auch die gute Imitationsfähigkeit die Kinder dar. Die Sprache ist oft undeutlich, es werden gerne Floskeln verwendet („nachgeplappert“), auch Echolalie und Stereotypien treten auf. Die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsspanne ist erheblich verkürzt, häufig begleitet von teilweise erheblicher motorischer Unruhe (vergleichbar ausgeprägtem ADHS). Zusätzlich können Koordinationsprobleme und eine beeinträchtigte Feinmotorik (malen / schreiben) beobachtet werden. Durch mangelnde Impulskontrolle und verminderte Frustrationstoleranz, kann es schnell zu Wutanfällen und gelegentlich aggressivem Verhalten kommen. Blickkontakt wird häufig vermieden und direkte Ansprache / Leistungsdruck liefert oft nicht die erhofften Antworten / Ergebnisse, so dass sich die Kinder insbesondere in Testsituationen (IQ-Tests) deutlich schlechter verkaufen als ihr tatsächliches Leistungsvermögen ist.
Welche Angaben bei der Erhebung der Familienanamnese könnten bei einer betroffenen Familie Hinweise ergeben?
Es können weitere Familienmitglieder jeden Alters und beiderlei Geschlechts mehr oder weniger ausgeprägte kognitive Beeinträchtigungen, Teilleistungsschwächen v.a. im mathematischen Bereich oder Verhaltensauffälligkeiten aufweisen, sowie psychische oder bei Älteren auch neurologische Symptome (z.B. Depressionen, Ängste, atyp. Parkinson, Ataxie, Demenz, FXTAS) zeigen. Bei weiblichen Trägern der Prämutation kann es zu vorzeitiger Menopause (vor dem 40. Leb.j., FXPOI) kommen. In etwa 25-30% lassen sich Schilddrüsenfunktionsstörungen, vorzugsweise bei Frauen, finden.
Wie sähe im Verdachtsfall die weitere Diagnostik aus?
Besteht bei einem Patienten aufgrund klinischer Symptome und / oder anamnestischer Angaben der Verdacht auf das Vorliegen eines FXS, kann die weitere Diagnostik entweder durch einen Facharzt für Humangenetik, ein SPZ oder auch den betreuenden Haus- oder Kinderarzt erfolgen. Es ist hierzu eine Blutabnahme (5ml EDTA Blut) erforderlich. Das Laborbudget für gesetzlich Versicherte wird hierbei nicht belastet, da für genetische Untersuchungen auf dem Überweisungsschein für Laboratoriumsuntersuchungen (Muster 10) eine Freiziffer (32010) eingetragen werden kann. Zusätzlich wird noch ein Überweisungsschein an Humangenetik beigefügt sowie eine vom Patienten / den Eltern unterschriebene Einverständniserklärung des untersuchenden genetischen Labors. Die Befundmitteilung kann durch den einsendenden Arzt erfolgen, es empfiehlt sich jedoch eine zusätzliche genetische Beratung der Familie, falls der Arzt nicht über eine entsprechende Erfahrung auf dem Gebiet FXS verfügt.
Welche Blutproben müssen übersandt werden?
Für postnatale Analysen benötigt das Labor in humangenetischen Instituten ca. 10 ml EDTA-Blut (bei Kindern 5-10 ml), das auf dem normalen Postweg zugeschickt werden kann. Für die pränatalen Untersuchungen werden 2-3 vollgewachsene Amnionzellkulturflaschen bzw. ca. 30 mg Choriongewebe benötigt. Mit dem Ergebnis der DNA-Analyse aus den Blutproben ist 4-5 Wochen nach Untersuchungsbeginn zu rechnen, mit dem Ergebnis der pränatalen Untersuchung ca. 2 Wochen nach Untersuchungsbeginn. Bei Anforderung von pränatalen Untersuchungen sollte unbedingt Rücksprache mit dem Laborleiter genommen werden. Bitte erkundigen Sie sich dennoch vor Ort bei Ihrem zuständigen Labor.
Was ist bei der Diagnoseübermittlung zu beachten?
Die Diagnose FXS bedeutet für die Familie einen entscheidenden Einschnitt im Leben. Die Erkenntnis, dass sich ihr Kind nie normal entwickeln wird, führt zu einer Trauersituation, deren Verarbeitung oft lange dauert und eine große Herausforderung bedeutet. Es ist wichtig, die Familien in dieser Situation nicht alleine zu lassen, sie schnell auf Hilfen hinzuweisen. Hierzu zählen in erster Linie Kontakte zu anderen betroffenen Familien (Hinweis auf die Interessengemeinschaft Fragiles-X), aber auch Hinweise auf Angebote von Frühförderstellen und Vermittlung zu erfahrenen Therapeuten. Die Diagnose betrifft aber nicht nur das betroffene Kind selbst. Die Tatsache, dass der genetische Defekt vererbt ist, hat auch wesentlichen Einfluss auf die weitere Familienplanung. Und auch die Prämutation auf Seiten der Mutter und der Großeltern kann Auswirkungen haben (siehe insbesondere FXTAS und FXPOI).
Welche Besonderheiten finden sich bei Mädchen mit FXS, deren Symptomatik sich meist ganz anders darbietet?
Da der Gendefekt im Allgemeinen nur auf einem der beiden X-Chromosomen lokalisiert ist, kann der Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung bei Mädchen zwischen normaler Leistung, Teilleistungsschwächen (Mathematik), Lernbehinderung oder auch geistiger Behinderung stark variieren. Diese doch erhebliche Spannweite ist bedingt durch die physiologische X-Inaktivierung bei allen weiblichen Individuen. Je nachdem, ob überwiegend das defekte mütterliche X-Chromosom in weiten Bereichen des Gehirns aktiv ist oder das gesunde väterliche X-Chromosom, sind die intellektuellen Leistungen mehr oder weniger beeinträchtigt. Sehr häufig finden sich bei Mädchen mit FXS – unabhängig von den kognitiven Fähigkeiten – psychische Auffälligkeiten in Form von Ängsten, Selbstwertproblematik, sozialer Unsicherheit, ausgeprägter Schüchternheit, Blickkontaktvermeidung, Rückzugstendenzen, autistischen Zügen, gelegentlich Depressionen. Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme treten überwiegend als ADS (ohne Hyperaktivität) auf. Viele der Mädchen verfügen über ein sehr gutes Einfühlungsvermögen, sind sehr empfindsam, haben aber auch eine niedrige Frustrationstoleranz und beginnen sehr schnell zu weinen. Durch ihre oft zu beobachtende Naivität werden sie leicht zu Mobbingopfern. Körperlich fällt bei Mädchen (wie bei Jungs) häufig ein schwaches Bindegewebe mit statischen Problemen (Plattfüße, Skoliose) auf. In einem Teil der Fälle beobachtet man eine mehr oder weniger ausgeprägte allgemeine Entwicklungsverzögerung (meist geringer als bei den Jungs), die Sprachentwicklung kann gelegentlich, aber dann meistens nur in geringerem Ausmaß, beeinträchtigt sein.
Was bedeutet die Diagnose "Fragiles-X" für andere Familienmitglieder?
FXS ist erblich. Es entwickelt sich zunächst über mehrere Generationen normalerweise unbemerkt (siehe auch Genetik).
Bei jedem Kind von Müttern mit der Prämutation ist die Wahrscheinlichkeit 50:50, dass ein betroffenes X-Chromosom weitergegeben wurde. Dies hat natürlich erheblichen Einfluss auf die weitere Familienplanung. Aber auch in der Prämutationsstufe selbst, d.h. bei den Müttern sowie dem am FXS-Erbgang beteiligten Großelternteil kann das FXS Auswirkungen haben. Siehe insbesondere Fragiles-X assoziiertes Tremor-/Ataxie-Syndrom (siehe FXTAS) und Fragiles-X assoziierte Primäre Ovarial-Insuffizienz (siehe FXPOI). Familien müssen nach der Diagnose am Besten innerhalb einer guten genetischen Beratung über die Möglichkeit der FX-assoziierten Erkrankungen informiert werden.
Kinder / Jugendliche mit unklaren Ängsten, sozialer Unsicherheit, Aufmerksamkeitsproblemen und evtl. Dyskalkulie – könnte dahinter FXS stecken?
Mädchen mit einer FXS Vollmutation zeigen oft keine oder nur geringer ausgeprägte kognitive Beeinträchtigungen – insbesondere im mathematischen Bereich, durchaus aber (IQ-unabhängig) Verhaltensauffälligkeiten in Form von ADS, autistischen Zügen, psychischer Labilität, Ängsten und sozialen Integrationsproblemen. Eine sichere Aussage, ob FXS dahinter steckt, lässt sich nur mit einer genetischen Diagnostik erzielen. Ob diese hilfreich und sinnvoll ist, ist immer eine Einzelfallentscheidung und auch abhängig von den familiären Begleitumständen (weitere Familienplanung, Auffälligkeiten bei weiteren Mitgliedern). Pro und Contra einer definitiven Diagnosestellung sollte immer mit einem erfahren Arzt erörtert werden (ggf. mögliche Nachteile bei Versicherungen, Verbeamtung, seel. Belastung). Bei männlichen Betroffenen, die keine geistige Behinderung, aber o.g. Auffälligkeiten aufweisen, könnte möglicherweise eine FXS Prämutation dahinter stecken (keine Vollmutation, denn hier käme es sehr wahrscheinlich zu geistiger Behinderung und anderen Auffälligkeiten). Eine weitere Abklärung ist auch bei den Jungs im Einzelfall zu überlegen.
Müssen Therapien bei FXS unterbrochen werden?
(Siehe Frage unten bei “Therapien”)
Gibt es eine gezielte medikamentöse Therapie für FXS?
Nein. Es gab in der jüngeren Vergangenheit mehrere klinische Studien mit Molekülen, die in den Pfad der metabotropen Glutamatrezeptoren der Synapsen einwirken sollten. Die im Mausmodell noch erfolgreichen Effekte ließen sich in den Studien am Menschen nicht nachvollziehen. Die Studien wurden abgebrochen. Auch einige weitere Studien anderer Wirkungsweise stellten sich teilweise als mit zu starken Nebenwirkungen behaftet heraus und zeigten nicht die erhoffte Wirkung.
Welche Beratungsmöglichkeiten gibt es für Familien mit FXS?
Familien können insbesondere den Beratungsdienst der Interessengemeinschaft Fragiles-X kontaktieren.
Dieser wird spezielle medizinische Fragen ggfs. weiterleiten. Wertvolle Informationen gibt es für Familien auch auf den Familientreffen der Interessengemeinschaft sowie den damit im zweijährlichen Wechsel stattfindenden Fragiles-X Kongressen.
Wie sollte man Toilettentraining für Kinder und Jugendliche mit FXS angehen?
Zum Thema Sauberkeitserziehung finden sich >>>hier<<< Informationen.
Wie kann ich ein Kind mit FXS beim Praxisbesuch beruhigen?
Hier sind einige Tipps, die sich für die Vorbereitung von Arztbesuchen mit Kindern mit FXS bewährt haben:
- Bestellen Sie, wenn möglich, die Eltern vorab zu einem Termin und befragen Sie sie über die Besonderheiten ihres Kindes und unterrichten Sie auch Ihre Arzthelferinnen darüber.
- Vielleicht erlauben Sie den Eltern bei diesem Besuch, Fotos von der Praxis und den Mitarbeitern machen zu dürfen, die sie zu Hause zur Vorbereitung Ihrem Kind zeigen können.
- Machen Sie für Patienten mit FXS Termine ohne (oder mit sehr kurzer) Wartezeit möglich und bitten Sie die Eltern, nicht allzufrüh vor dem Termin zu kommen.Vielleicht ermöglichen Sie auch einen Termin nach Praxisschluss oder an einem Mittwochnachmittag – mit ganz leerem Wartezimmer?
- Vereinbaren Sie einen Termin für das Kind zum Kennenlernen der Praxis, des Arztes und der Helferinnen. Verzichten Sie bei diesem ersten Termin auf jede Untersuchung.
- Vielleicht können Sie, wenn die Furcht des Kindes zu groß ist, den Eltern erlauben, ab und zu mit ihrem Kind in der Praxis vorbeizuschauen, kurz die Sprechstundenhilfe zu begrüßen und vielleicht auch 10-15 Minuten mit einem Buch im Wartezimmer zu verbringen.
- Versuchen Sie, schmerzhafte Untersuchungen oder Behandlungen wie Blutabnehmen vorher spielerisch an einem Kuscheltier zu zeigen, lassen Sie für die Behandlung das Kind auf dem Schoß der Eltern Platz nehmen.
- Bei manchen Kindern wirken auch Belohnungen gut. Unbedingt darauf achten, dass die Absprachen klar und für das Kind leicht nachzuvollziehen sind – und: halten Sie Ihren Teil der Absprache immer ein!
- Wenn es Geschwister gibt, hilft es auch, Rollenspiele anzuregen, in denen Kuscheltiere behandelt werden, Verbände bekommen, Spritzen, Zahnuntersuchungen – dies können die Familien zu Hause leisten.
- In Buchhandlungen gibt es einige Bücher zum Thema – schon für ganz kleine. Wenn das Kind gern Bücher anschaut und Geschichten zuhört, kann das auch eine gute Methode sein, es vorzubereiten (z.B. für kleine Kinder „Bald bin ich wieder gesund“ aus der Reihe „Wieso? Weshalb? Warum? Junior“ oder für etwas ältere Kinder „WWW – Zu Besuch beim Kinderarzt“ – beide erschienen im Verlag Ravensburger). Regen Sie Eltern an, dies zu versuchen.
- Für sehr aufwendige oder langwierige Behandlungen und Untersuchungen kann man natürlich auch eine Sedierung in Betracht ziehen. Jedoch ist nach Möglichkeit eine Behandlung ohne Narkose vorzuziehen.
Welche ICD-10 Codes sind bei FXS zutreffend?
Q99.2: Fragiles X-Chromosom
F84.1: Atypischer Autismus
F84.4: Überaktive Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien
F84.9: Sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen
Wo kann ich weiterführende Informationen erhalten?
Bitte kontaktieren Sie die Beraterinnen der Interessengemeinschaft Fragiles-X, die Ihnen entweder selbst helfen können oder gezielt Fragen weiterleiten.
Was ist das Netzwerk Fragiles-X am Uniklinikum Tübingen?
Informationen zum Netzwerk Fragiles-X am UKT finden Sie >>>hier<<<
Welche somatischen Befunde korrelieren häufiger mit FXS?
Bei Babys mit einer FXS Vollmutation kann es schon früh refluxbedingt zu häufigem Erbrechen, u.U. mit Gedeihstörung kommen. Auch lässt sich oft eine erhöhte Irritabilität beobachten, was zu anhaltendem Schreien und erheblichen Schlafstörungen (bis in das Schulalter) führen kann. Durch die – fast immer vorhandene – Bindegewebsschwäche entwickeln sich meist deutliche Knick-Plattfüße, in Verbindung mit der muskulären Hypotonie oft auch stammbetonte Instabilitäten (Fehlhaltung, Asymetrie, Skoliose). Ausgeschlossen werden sollte ein Mitralklappenprolaps sowie Erweiterungen der großen Gefäße. Etwa 20% der Kinder – insbesondere Jungs – entwickeln vorzugsweise im Kleinkind-/ Kindergartenalter eine Epilepsie (Behandlung mit den üblichen Antiepileptika). Auffällige EEG-Befunde finden sich allerdings bei einem Großteil der Kinder mit FXS, auch wenn keine epileptischen Anfälle auftreten. Überdurchschnittlich oft wird auch ein Strabismus (meist mit Hyperopie) diagnostiziert. Ab dem Kleinkindalter leiden viele FXS Kinder an einer vermehrten Infektanfälligkeit, oft in Verbindung mit rezidivierender Otitis media. Letztere wird durch die oft verminderte Schmerzwahrnehmung leider gerne übersehen, was durch eine sich anschließende Hörminderung die meist unabhängig hiervon vorhandene Sprachentwicklungsverzögerung noch verstärkt sowie bestehende Verhaltensauffälligkeiten ungünstig beeinflusst.
Gibt es bei den Routine-Impfungen (lt. STIKO) Besonderheiten zu beachten?
Kinder mit FXS können entsprechend den STIKO-Empfehlungen normal geimpft werden. Bisher sind keine vermehrten Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten beobachtet worden. Eine häufig vermehrte Infektanfälligkeit (u.a. rezidivierende Otitis media) sollte bei den Impfüberlegungen und der zeitlichen Planung bedacht werden.
Sind Besonderheiten bei der Ernährung zu beachten?
Unverträglichkeiten oder Allergien treten nicht häufiger auf als bei Menschen ohne diesen Gendefekt. Von einigen Eltern wurde in der Vergangenheit jedoch berichtet, dass die Entwicklung der Kinder sowie Verhaltensauffälligkeiten von einer glutenfreien und/oder kaseinfreien Ernährung profitieren. In der üblichen Zöliakiediagnostik und/oder allergologischen Abklärung lassen sich bei diesen Kindern jedoch keine pathologischen Befunde erheben. Erwähnt werden sollte jedoch, dass von FXS betroffene Säuglinge überdurchschnittlich oft spucken (Hiatusinsuffizienz / Reflux). Auch durch verminderte Stresstoleranz und übermäßige Lärmempfindlichkeit kann übermäßiges Erbrechen, ggf. mit Gedeihstörungen auftreten. Gelegentlich lassen sich auch Trinkschwäche und Schluckschwierigkeiten (häufiges Verschlucken) beobachten. Bei älteren Kindern fällt auf, dass Essen häufig „gestopft“ wird, z.T. bis zum Auslösen von Würgereiz, oft wird auch „geschlungen“ und unzureichend gekaut. Das Sättigungsgefühl scheint auch bei vielen Menschen mit FXS sehr unzureichend vorhanden zu sein.
Fragen und Antworten zu Therapien
Gibt es eine kausale Therapie für FXS?
Es gab in der jüngeren Vergangenheit mehrere klinische Studien, die sich vor allem auf Versuche bezogen, den bei Fehlen des FMR-Proteins veränderten synaptischen Stoffwechsels zu beeinflussen. Hier sind insbesondere Studien zu mGluR-Antagonisten (Blockade der metabotropen Glutamatrezeptoren Typ 5) zu erwähnen. Zwei große Studien endeten hier mit negativem Ergebnis, hoffnungsvolle Wirkungen im Mausmodell konnten beim Menschen nicht bestätigt werden.
Welche symptomatischen Therapien sind empfehlenswert?
Wesentliche Problembereiche sind die (Aus-)Sprache/das Sprechen sowie grob- und feinmotorische Unsicherheiten.
Logopädie
Viele Kinder mit FXS beginnen sehr spät zu sprechen. In manchen Fällen ist das Einsetzen der Sprache auch in späterem Alter noch nicht erfolgt. In allen Fällen aber ist logopädische Unterstützung ratsam, um dem Kind Mut zu machen, Sprache zu entwickeln, einzusetzen und zu verbessern. Zur Überbrückung kann auch mit Mitteln der Unterstützten Kommunikation (UK) gearbeitet werden.
Physiotherapie
Ein typisches Symptom bei FXS sind Gangunsicherheiten und Gleichgewichts-/ Balanceprobleme. Hier kann Physiotherapie erfolgreich eingesetzt werden, um das Kind bei seiner Entwicklung zu unterstützen und Wege zu eröffnen, Selbstsicherheit in seinen grobmotorischen Bewegungsabläufen zu erlangen.
Ergotherapie
Es gibt viele Berichte über erfolgreichen Einsatz von Ergotherapie bei feinmotorischen Problemen bei FXS. Typische Problembereiche sind das Schreiben/das Führen von Stiften. Hier kann der Ergotherapeut helfen, dem Kind Sicherheit zu verschaffen und Mut zu machen, sich auf die bestehende Aufgabe zu konzentrieren und sie schließlich zu lösen.
Gibt es Möglichkeiten der symptomatischen medikamentösen Therapie?
HINWEIS: Die in diesem Abschnitt gegebenen Hinweise zur medikamentösen Therapieunterstützung bei FXS sind von einer Allgemeinmedizinerin zusammengestellt worden und richten sich ausschließlich an Mediziner. Jegliche hier enthaltenen Informationen dürfen nur vom behandelnden Arzt nach eigenem Ermessen verwendet werden.
Auch wenn es bislang keine kausale Therapie gibt, so kann man den betroffenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit FXS sowie ihren Familien doch durch diverse Fördermaßnahmen, geeignete Umfeldbedingungen, entsprechende Erziehung sowie unterschiedliche symptomatische Therapien helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen. Neben den bekannten pädagogischen Maßnahmen, die immer die Basis zur Förderung der Entwicklung und Verbesserung vorhandener Defizite sein sollte, kann es im Einzelfall hilfreich sein, auch medikamentöse Maßnahmen (vorübergehend) einzusetzen. Betont werden muss hier, dass es „DAS“ Medikament gegen FXS leider nicht gibt, auch wenn in der Vergangenheit von mehreren Firmen – leider bisher ohne durchschlagenden Erfolg – daran geforscht wurde. Zum Einsatz kommen daher – nach gründlichem Abwägen und in der Hand erfahrener Mediziner – nur Medikamente, die für andere Indikationen / Krankheiten in Deutschland zugelassen sind. Größere Studien liegen u.a. aufgrund der Seltenheit von FXS leider so gut wie nicht vor, es gibt jedoch gewisse Erfahrungswerte von Ärzten, die eine größere Zahl von Patienten mit FXS behandeln. Trotz vieler Ähnlichkeiten hinsichtlich der Symptome, die Patienten mit FXS zeigen, muss doch immer sehr individuell entschieden werden, ob die Situation tatsächlich den Einsatz eines Medikaments rechtfertigt bzw. ob mit einem Medikament eine wirkliche Verbesserung erzielt werden kann unter Abwägung möglicher Risiken und Nebenwirkungen. Meist handelt es sich hier um einen off-label-use, d.h. die Anwendung eines Medikaments, welches zur Behandlung einer anderen Erkrankung und z.T. auch nur für ein abweichendes Patientenalter zugelassen ist, so dass hier auch arzthaftungsrechtliche Aspekte berücksichtigt werden müssen.
Die meisten Erfahrungen dürften hier mit Stimulantien gemacht worden sein. Hierzu zählen u.a. die Wirkstoffe Methylphenidat (MPH) und Amphetamine (z.B. Ritalin, Medikinet, Equasym, Concerta, D-L-Amphetaminsaft NRF, Attentin, Elvanse). Verwendung finden sie bei FXS im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts bei den typischen ADHS-Symptomen, die bei den meisten Kindern mit FXS – in unterschiedlich starker Ausprägung – zu finden sind. Bei jüngeren Kindern kann hierunter oft auch innerhalb kurzer Zeit eine zufrieden stellende Kontrolle bei unzureichender Kontrolle der Ausscheidungsfunktionen erreicht werden. Die Kinder haben teilweise auch erst unter dieser Medikation die Chance, ihre vorhandenen kognitiven Fähigkeiten zu nutzen und sinnvoll einzusetzen. Auch gelingt bei manchen die soziale Integration erst mit medikamentöser Unterstützung. Zu beachten ist hierbei, dass sehr oft schon eine äußerst niedrige Dosis ausreicht. Unter MPH kann es dabei gelegentlich zu psychischer Destabilisierung kommen, die sowohl in Niedergeschlagenheit als auch Aggressionen enden kann. Bei Amphetaminen scheint das deutlich seltener vorzukommen, so dass sich u.U. ein Umstellungsversuch lohnen kann.
Bei stark ausgeprägten Unruhezuständen oder anders nicht in den Griff zu bekommender Eigen- oder Fremdgefährdung kann auch in Ausnahmefällen der Einsatz von Risperidon (z.B. Risperdal), einem Neuroleptikum, erwogen werden. Auch hier ist eine sehr vorsichtige Aufdosierung dringend zu empfehlen.
Relativ großzügig eingesetzt wird dagegen – auch schon bei jungen Kindern – u.a. auch von mehreren SPZ´s der Wirkstoff Melatonin (z.B. Circadin) zur Behandlung ausgeprägter Ein- und Durchschlafstörungen. Ein zusätzlicher Benefit könnte zusätzlich in der – auch bei FXS unterstellten – neuroprotektiven Wirkung liegen. Es scheint bei dieser Substanz ebenso wenig wie bei den Stimulantien zu einem Wirkverlust oder einer Gewöhnung im Lauf der Zeit zu kommen.
Vorzugsweise bei Mädchen mit Vollmutation und ausgeprägten Ängsten, sozialer Phobie, Depressionen oder Zwängen haben sich SSRI (z.B. Sertralin, Citalopram, Escitalopram) sowie SSRI/SNRI (z.B. Venlafaxin) als hilfreich erwiesen. Letztere können sich u.U. auch positiv auf Konzentration und Aufmerksamkeit auswirken. In Einzelfällen konnte auch unter einer sehr niedrigen Dosis Sertralin bei Jungs mit Vollmutation offenbar eine bessere Wahrnehmung und Kontrolle der Ausscheidungsfunktionen erzielt werden. Diese Beobachtung könnte sich aus dem Umstand erklären, dass auch ein SSRI/SNRI (Duloxetin), auf dem Markt ist (z.B. Yentreve), welches zur Behandlung von Belastungsinkontinenz zugelassen ist. Man geht davon aus, dass durch die SSRI/SNRI-Wirkung die Fähigkeit zur Anspannung des Sphinktermuskels gesteigert wird.
Widersprüchliche Ergebnisse finden sich zu der Wirkung von Minocyclin bei Kindern mit FXS. Studien aus früheren Jahren (2008-2010) verliefen zunächst viel versprechend, da insbesondere bei Kindern unter 8 Jahren Verbesserungen in den Bereichen Aufmerksamkeit, Sprachentwicklung und soziale Kommunikation gesehen wurden. Vorangegangen waren Studien am Mausmodell (FX-KO-Maus), die unter Minocyclingabe ab Geburt (!) neben einer „normnahen“ Dendritenentwicklung auch damit verbundene „Normalisierungen“ im Verhalten und der Lernfähigkeit der Tiere ergaben. In den Folgejahren konnten die positiven Effekte bei Menschen mit FXS im Rahmen von Studien leider nicht im erhofften Ausmaß bestätigt werden. Es gibt aber Einzelbeobachtungen, nach denen betroffene Kinder / Jugendliche doch soweit von einer Gabe profitieren, dass Verbesserungen in den o.g. Bereichen von Außenstehenden festgestellt werden, die von einer Gabe gar nichts wissen bzw. Verschlechterungen i.R. eines Auslassversuchs (Einnahmepause) gesehen werden. Eine in den früheren Studien beobachtete relativ hohe Rate von gastrointestinalen Nebenwirkungen (7-15%) sollte bedacht werden.
In ausgewählten Einzelfällen kann – insbesondere bei älteren (prä-/post-)pubertären Jungen mit FXS – eine Behandlung mit Neuroleptika angezeigt sein. Erfahrungen bestehen hier mit dem Wirkstoff Aripiprazol (z.B. Abilify), der sich insbesondere bei Auftreten von psychotischen Symptomen oder einer bipolaren Störung bewährt hat.
Versuchsweise bei Kindern / Jugendlichen mit FXS eingesetzt wurde auch Memantine (z.B. Ebixa), ein NMDA Antagonist (Glutamatantagonist), mit dem in früheren Jahren bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten / ADHS gute Effekte erzielt wurden, da die Selbststeuerung und Konzentrationsfähigkeit verbessert wurden. ADHS-Experten setzten den Wirkstoff auch bei (erwachsenen) ADHS Patienten mit gutem Erfolg ein, die Reizüberempfindlichkeit, Impulskontrolle und affektive Labilität besserten sich z.T. deutlich. Nach Aussagen der Pharmafirma ist auch mit einer neuroprotektiven Wirkung zu rechnen. Anhaltende neuroanatomische oder neurobiologische Veränderungen entstehen nicht. Effekte sind auf die Dauer der Einnahme beschränkt. Es ist nicht mit einer Gewöhnung (oder Abhängigkeit) zu rechnen.
Interessanterweise wurde festgestellt, dass nicht nur (natürlich) auch Familien mit Kindern, die von FXS betroffen sind, einem gewissen Placeboeffekt erliegen, sondern darüberhinaus, dass Placebo sogar dann noch hilft, wenn offen gelegt wird, dass es verabreicht wird. Dieser Effekt sollte daher bei jedem Versuch einer medikamentösen Unterstützung bedacht werden.
Viele Eltern berichten auch von sichtbaren Verbesserungen unter homöopathischer Behandlung oder bei der Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln (z.B. Omega-3-Fettsäuren, Zink, Magnesium, Vitaminen). Ob diese Behandlungsoptionen nun tatsächlich wirken oder durch ein Zusammenspiel mit einem gewissen Placeboeffekt oder einem entspannteren Familienklima in der positiven Erwartung einer Wirkung zustande kommen, sei dahingestellt. Ein größerer Schaden wird hierdurch relativ sicher nicht entstehen.
Müssen Therapien bei FXS unterbrochen werden?
Viele Betroffene waren bisher mit dieser Möglichkeit der Verordnung außerhalb des Regelfalles ausreichend mit den für sie notwendigen Therapien versorgt. Es kam aber auch häufig vor, dass Ärzte den Eltern mitteilten, dass die Höchstzahl an Behandlungen erreicht ist und daher eine Behandlungsunterbrechung notwendig ist. Hintergrund ist: Der Arzt ist zum verantwortungsvollen Umgang mit den Ausgaben der Krankenkasse verpflichtet und muss im Falle einer Wirtschaftlichkeitsprüfung gegenüber der Krankenkasse schlüssig und umfassend begründen, warum es notwendig war, die Therapiemaßnahmen außerhalb des Regelfalles fortzusetzen. Andernfalls drohen ihm Regressforderungen seitens der Krankenkasse.
2011 wurde nun zusätzlich zu dieser bereits bestehenden Möglichkeit der Verordnung außerhalb des Regelfalls die so genannte langfristige Heilmittel-Genehmigung nach § 8 Abs. 5 in die Verordnungsrichtlinien aufgenommen. Das Kriterium „dauerhafter Heilmittelbedarf“ ist dann gegeben, wenn das vorhandene Krankheitsbild in die „Liste über Diagnosen mit langfristigem Heilmittelbedarf im Sinne von § 32 Abs. 1 a SGB V“ aufgenommen worden ist. In der Folge können per Antrag bei der Krankenkasse die medizinisch notwendigen Therapien für mindestens ein Jahr genehmigt werden. Der betreuende Arzt kann bei dieser genehmigten Verordnung sicher sein, dass die notwendigen Heilmittel/Therapien nicht einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden. Zu beachten ist, dass die Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfes nicht mit einer Dauerverordnung zu verwechseln ist. Die Anzahl der Behandlungen pro Verordnung sind vom Arzt so festzulegen, dass sie mindestens zu einer Vorstellung des Patienten pro Quartal führen.
Der Vorstand der Interessengemeinschaft Fragiles-X hat sich dafür eingesetzt, dass das FXS demnächst auch wie schon andere Syndrome z.B. das Down-Syndrom auf dieser Indikationenliste für die langfristige Genehmigung von Heilmitteln aufgenommen wird. Auch Ärzte wären dann zur Begründung der langfristigen Therapie-Verordnung gegenüber der Krankenkasse abgesichert. Der Vorstand hat nachhaltig darauf hingewiesen, dass bereits kurze Behandlungspausen die Therapieerfolge bei den Betroffenen gefährden können. Schon nach wenigen Wochen werden nicht genutzte Fähigkeiten wieder verlernt. Dazu kommt, dass die Therapien häufig zum festen Wochenritual der Betroffenen gehören. Zu den Therapeuten entwickeln sich oft enge Beziehungen. Behandlungsunterbrechungen werden von den Betroffenen häufig als Beziehungsabbrüche erlebt und können Ängste auslösen oder verstärken. Zu Beginn einer neuen Therapieeinheit muss die Vertrauensbasis erst mühsam wieder hergestellt werden.
Bis zu der endgültigen Aufnahme des FXS in die entsprechenden Listen sollen den Betroffenen keine Nachteile bei der Verordnung entstehen. So besteht die Möglichkeit, mit dieser Diagnose auch unabhängig von der Liste einen Antrag auf langfristige Genehmigung von Heilmitteln bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen. Zum anderen ist eine Verordnung außerhalb des Regelfalles (nach § 8 Abs. 4) möglich, auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 5 noch nicht vorliegen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe konnte die Zusage erwirken, dass die Liste überarbeitet wird, wenn sich Versorgungsprobleme zeigen. Sollten Sie also mit Ihrem Kind oder Ihrer Betreuungsperson Probleme mit der nahtlosen Verordnung von Therapien/Heilmitteln haben, melden Sie sich bitte bei der Geschäftsstelle der Interessengemeinschaft.
Um Missverständnissen vorzubeugen – es geht nicht darum, Menschen mit FXS um jeden Preis jede denkbare Therapie angedeihen zu lassen. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass über Art und Dauer der Therapie der individuelle Bedarf der Betroffenen und nicht eine festgelegte Höchstzahl von Verordnungen entscheidet. Ziel muss es sein, für alle Betroffenen eine fortlaufende Therapie zu gewährleisten, wenn ein andauernder Behandlungsbedarf zu erwarten ist.
„Genehmigung langfristiger Heilmittelbehandlungen nach § 32 Abs. 1a SGB V in Verbindung mit § 8 Abs. 5 Heilmittel-Richtlinie“ ist im Internet als pdf >>>hier<<< zu downloaden. In dieser Liste ist wie erwähnt FXS noch nicht enthalten, aber die in der Liste den ICD-10-Codes F84.1, F84.4 und F84.9 entsprechenden Diagnosen treffen auf quasi alle Betroffenen des FXS zu.
Welche Beratungsmöglichkeiten gibt es für Familien mit FXS?
Familien können insbesondere den Beratungsdienst der Interessengemeinschaft Fragiles-X kontaktieren.
Dieser wird spezielle medizinische Fragen ggfs. weiterleiten. Wertvolle Informationen gibt es für Familien auch auf den Familientreffen der Interessengemeinschaft sowie den damit im zweijährlichen Wechsel stattfindenden Fragiles-X Kongressen.
Wie sollte man Toilettentraining für Kinder und Jugendliche mit FXS angehen?
Hierzu haben wir >>>hier<<< umfangreiche Informationen für Sie und die Familien bereit gestellt.
Wie kann ich ein Kind mit FXS beim Praxisbesuch beruhigen?
Hier sind einige Tipps, die sich für die Vorbereitung von Arztbesuchen mit Kindern mit FXS bewährt haben:
- Bestellen Sie, wenn möglich, die Eltern vorab zu einem Termin und befragen Sie sie über die Besonderheiten ihres Kindes und unterrichten Sie auch Ihre Arzthelferinnen darüber.
- Vielleicht erlauben Sie den Eltern bei diesem Besuch, Fotos von der Praxis und den Mitarbeitern machen zu dürfen, die sie zu Hause zur Vorbereitung Ihrem Kind zeigen können.
- Machen Sie für Patienten mit FXS Termine ohne (oder mit sehr kurzer) Wartezeit möglich und bitten Sie die Eltern, nicht allzufrüh vor dem Termin zu kommen.Vielleicht ermöglichen Sie auch einen Termin nach Praxisschluss oder an einem Mittwochnachmittag – mit ganz leerem Wartezimmer?
- Vereinbaren Sie einen Termin für das Kind zum Kennenlernen der Praxis, des Arztes und der Helferinnen. Verzichten Sie bei diesem ersten Termin auf jede Untersuchung.
- Vielleicht können Sie, wenn die Furcht des Kindes zu groß ist, den Eltern erlauben, ab und zu mit ihrem Kind in der Praxis vorbeizuschauen, kurz die Sprechstundenhilfe zu begrüßen und vielleicht auch 10-15 Minuten mit einem Buch im Wartezimmer zu verbringen.
- Versuchen Sie, schmerzhafte Untersuchungen oder Behandlungen wie Blutabnehmen vorher spielerisch an einem Kuscheltier zu zeigen, lassen Sie für die Behandlung das Kind auf dem Schoß der Eltern Platz nehmen.
- Bei manchen Kindern wirken auch Belohnungen gut. Unbedingt darauf achten, dass die Absprachen klar und für das Kind leicht nachzuvollziehen sind – und: halten Sie Ihren Teil der Absprache immer ein!
- Wenn es Geschwister gibt, hilft es auch, Rollenspiele anzuregen, in denen Kuscheltiere behandelt werden, Verbände bekommen, Spritzen, Zahnuntersuchungen – dies können die Familien zu Hause leisten.
- In Buchhandlungen gibt es einige Bücher zum Thema – schon für ganz kleine. Wenn das Kind gern Bücher anschaut und Geschichten zuhört, kann das auch eine gute Methode sein, es vorzubereiten (z.B. für kleine Kinder „Bald bin ich wieder gesund“ aus der Reihe „Wieso? Weshalb? Warum? Junior“ oder für etwas ältere Kinder „WWW – Zu Besuch beim Kinderarzt“ – beide erschienen im Verlag Ravensburger). Regen Sie Eltern an, dies zu versuchen.
- Für sehr aufwendige oder langwierige Behandlungen oder Untersuchungen kann man natürlich auch die Möglichkeit einer Sedierung in Betracht ziehen. Jedoch ist nach Möglichkeit eine Behandlung ohne Narkose vorzuziehen.
Treten bei der „normalen“ haus- und kinderärztlichen Versorgung / Betreuung von Kindern mit FXS besondere Probleme auf?
(unkl. Fieber, vermind. Schmerzwahrnehmung, erschwerte Diagnostik üblicher Infekte..)
Was sollte bei Narkosen (einschl. Prämedikation) berücksichtigt werden?
HINWEIS: Die in diesem Abschnitt gegebenen Hinweise zur Anästhesie bei FXS sind von einer Allgemeinmedizinerin zusammengestellt worden und richten sich ausschließlich an Mediziner. Jegliche hier enthaltenen Informationen dürfen nur vom behandelnden Arzt nach eigenem Ermessen verwendet werden.
Bei operativen Eingriffen in Lokal- oder Regionalanästhesie sollte bedacht werden, dass Lokalanästhetika häufig bei Trägern einer Prämutation (insbesondere Frauen) deutlich schlechter wirksam sind und daher in einer höheren Dosis appliziert werden müssen bzw. es müssen stärker wirksame Präparate als üblich verwendet werden. Operative Eingriffe in Vollnarkose sollten – soweit möglich – bei Trägern der Prämutation (beiderlei Geschlechts) wegen der Erhöhung des Risikos einer vorzeitigen Neurodegeneration mit Tremor und Ataxie (FXTAS) vermieden werden. Bei Patienten mit Vollmutation, die sich z.B. einem zahnärztlichen Eingriff unterziehen müssen (kann bei dieser Personengruppe ggf. auch schon notwendig werden i.R. einer Zahnreinigung), hat sich die Gabe von Propofol gut bewährt. Bezodiazepine hingegen wirken häufig paradox, was große Probleme nach sich ziehen kann! Daher wird vor Eingriffen in Vollnarkose oft gänzlich auf eine Prämedikation verzichtet.
Gibt es auch Aspekte, die ein Hausarzt / Internist wissen sollte?
(RR, CVRF, Osteopr., Psyche)
Wo kann ich weiterführende Informationen erhalten?
Weiterführende Informationen bietet insbesondere der Beratungsdienst der Interessengemeinschaft Fragiles-X.
Was ist das Netzwerk Fragiles-X am Uniklinikum Tübingen?
Informationen zum Netzwerk Fragiles-X am UKT finden Sie >>>hier<<<
Fragen und Antworten zu sozialen Fragen
Was ist bei der Diagnoseübermittlung zu beachten?
Die Diagnose FXS bedeutet für die Familie einen entscheidenden Einschnitt im Leben. Die Erkenntnis, dass sich ihr Kind nie normal entwickeln wird, führt zu einer Trauersituation, deren Verarbeitung oft lange dauert und eine große Herausforderung bedeutet. Es ist wichtig, die Familien in dieser Situation nicht alleine zu lassen, sie schnell auf Hilfen hinzuweisen. Hierzu zählen in erster Linie Kontakte zu anderen betroffenen Familien (Hinweis auf die Interessengemeinschaft Fragiles-X), aber auch Hinweise auf Angebote von Frühförderstellen und Vermittlung zu erfahrenen Therapeuten. Die Diagnose FXS beschränkt sich aber nicht nur auf das betroffene Kind. Die Tatsache, dass der genetische Defekt vererbt ist, hat auch wesentlichen Einfluss auf die weitere Familienplanung. Und auch die Prämutation auf Seiten der Mutter und der Großeltern kann Auswirkungen haben (siehe insbesondere FXTAS und FXPOI).
Was bedeutet die Diagnose "FXS" für andere Familienmitglieder?
FXS ist erblich. Es entwickelt sich zunächst über mehrere Generationen normalerweise unbemerkt (siehe auch Genetik).
Bei jedem Kind von Müttern mit der Prämutation ist die Wahrscheinlichkeit 50:50, dass ein betroffenes X-Chromosom weitergegeben wurde. Dies hat natürlich erheblichen Einfluss auf die weitere Familienplanung. Aber auch in der Prämutationsstufe selbst, d.h. bei den Müttern sowie dem am FXS-Erbgang beteiligten Großelternteil kann das FXS Auswirkungen haben. Siehe insbesondere Fragiles-X assoziiertes Tremor-/Ataxie-Syndrom (FXTAS) und Fragiles-X assoziierte Primäre Ovarial-Insuffizienz (FXPOI). Familien müssen nach der Diagnose am Besten innerhalb einer guten genetischen Beratung über die Möglichkeit der FX-assoziierten Erkrankungen informiert werden.
Welche Beratungsmöglichkeiten gibt es für Familien mit FXS?
Familien können insbesondere den Beratungsdienst der Interessengemeinschaft Fragiles-X kontaktieren.
Dieser wird spezielle medizinische Fragen ggfs. weiterleiten. Wertvolle Informationen gibt es für Familien auch auf den Familientreffen der Interessengemeinschaft sowie den damit im zweijährlichen Wechsel stattfindenden Fragiles-X Kongressen.
Welcher GdB im Schwerbehindertenausweis und welche Merkzeichen erhalten die Patienten mit FXS üblicherweise?
Eine Umfrage der Interessengemeinschaft wird diese Fragen in Kürze aufklären.
Die Ergebnisse werden an dieser Stelle und in den Publikationen der IG Fragiles-X bekannt gemacht.
Was ist bei der Beantragung von Pflegegeld bzw. den ergänzenden Leistungen bei verminderter Alltagskompetenz zu beachten?
Welche Arten von Kinderkrippen oder Kindergärten/-tagesstätten sind empfehlenswert?
Informationen zu Kindertagesstätten und Kindergärten gibt es >>>hier<<<.
Welche Schulen sind für Kinder/Jugendliche mit FXS am Besten geeignet?
Informationen zur Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit FXS finden sich >>>hier<<<.