Menschen mit angeborenem oder erworbenem Handicap können sich in den Selbstverwirklichungsräumen der Musiktherapie neu erfahren und entfalten. Sie können Talente entdecken, die ihnen vor der Therapie nicht bewusst waren. Diese positiven Erlebnisse können das Selbstwertgefühl steigern und dazu beitragen, dass sich die Entwicklung beziehungsweise die Prognose eines Menschen mit Handicap wesentlich verbessern.
Die meisten Musiktherapeuten in Deutschland arbeiten „aktiv“. Sie motivieren den Klienten zum Musizieren. Dadurch wird er therapiert. Bei der rezeptiven Musiktherapie wird die therapeutische Wirkung durch das Hören von Musik erzielt.
Die Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft definiert Musiktherapie wie folgt: “Musiktherapie ist der gezielte Einsatz von Musik im Rahmen der therapeutischen Beziehung zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit.” (Weitere Informationen finden Sie auf http://www.musiktherapie.de.)
Musiktherapie kann unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen stattfinden, die “Settings” genannt werden. Zum einen ist wesentlich zu unterscheiden zwischen:
- Einzeltherapie, d. h. der musiktherapeutischen Arbeit zwischen Musiktherapeut und Klienten sowie
- Gruppentherapie, d. h. der Arbeit zwischen Musiktherapeut und mehreren Gruppenteilnehmern.
Die nächste wichtige Unterscheidung einzelner musiktherapeutischer Verfahren ist zwischen
- Aktiver Musiktherapie und
- Rezeptiver Musiktherapie festzuhalten.
Der Klient ist in der Aktiven Musiktherapie im Gegensatz zur Rezeptiven Musiktherapie, durch Spielen am Instrument, aktiv beteiligt: “Die Musikinstrumente, mit denen der Patient musikalisch (meist) improvisiert, geben ihm neben dem verbalen und nonverbalen eine weitere, nämlich musikalische Möglichkeit des Ausdrucks. Die Auswahl des Instruments bzw. der Instrumente wird meist auf die konkrete Therapiesituation abgestimmt, d.h. sie steht im engen Zusammenhang zu aktuellen Themen/der Situation des Patienten. Eine musikalische bzw. instrumentale Vorbildung des Patienten ist nicht nötig, da die musiktherapeutische Musik keinerlei Ansprüche an Fähigkeiten oder Virtuosität stellt. Die rezeptive Musiktherapie ist die älteste Form der Musiktherapie. Im Gegensatz zur aktiven Form der Musiktherapie beinhaltet die rezeptive Musiktherapie, bzw. rezeptiv musiktherapeutische Interventionen nicht das aktive Musizieren des Patienten. Der Patient nimmt die Musik, entweder vom Therapeuten gespielt oder abgespielt von Medien, hier passiv wahr, d.h. ohne Einfluss auf die musikalische Gestalt.” (wikipedia.org)
Fragen und Antworten
Wer trägt die Kosten?
Musiktherapie wird nur bei stationärer Betreuung finanziert beziehungsweise im Zuge einer Rehabilitation. Wer Musiktherapie ambulant nutzen möchte, muss die Therapie als gesetzlich versicherter Mensch meist selbst finanzieren.
Was ist das Besondere in der Musiktherapie mit Kindern mit Fragilem-X Syndrom?
Eine gelungene Musiktherapie gründet sich immer auf die speziellen Bedürfnisse ihrer Klienten. In diesem Fall bedeutet das, die Nöte und Probleme des jeweiligen Kindes zu erkennen und sie zum Gegenstand der Therapie zu erheben.
Der Schwerpunkt liegt dabei in folgenden Bereichen:
• Soziale Sicherheit
Durch entsprechende Musizierangebote gelingt es, eine entspannte und anforderungsfreie Atmosphäre zu schaffen. Nur in einer vertrauensvollen Umgebung können Alltagsspannungen und Ängste durch Leistungsdruck abgebaut und die aktive Mitarbeit des Kindes gefördert werden. Beziehung kann wachsen.
• Wahrnehmungsprozesse
Musikinstrumente sind ein attraktives Material, an dem die eigene Wirksamkeit lustvoll erprobt werden kann. Das Spiel auf den Instrumenten hilft, Hören, Fühlen und Sehen aufeinander abzustimmen und zu kanalisieren. Das schützt vor Reizüberflutung und den damit verbundenen Rückzugstendenzen.
• Kommunikation
Gemeinsames Musizieren beruht auf dialogischen Prinzipien, die sich auch ohne Sprache ereignen. Das Kind fühlt sich bestätigt, angenommen und ermutigt. Es kann Fähigkeiten des sozialen Miteinanders entwickeln, die auch eine Förderung der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten begünstigen.
• Sprache
Rhythmisch-musikalische Elemente helfen, das Sprechtempo und das sogenannte „Poltern“ zu regulieren. Speziell beim Singen werden der Wortfluss und bis zu einem gewissen Grad auch Artikulationsprobleme positiv beeinflusst.
Gelingt es in der Musiktherapie, eine tragende Beziehung zu dem Kind aufzubauen, wächst es an der Wertschätzung, die es erfährt. Das Selbstwertgefühl, die Eigenständigkeit und Impulskontrolle können sich behutsam entwickeln. Letztendlich geht es um das seelische Wohlergehen des Kindes und damit auch seines näheren Umfeldes – der Familie.
Juliane Sayk
Diplom-Musiktherapeutin