Fragt man Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Fragilem-X (kurz FraX), was für sie im Alltag mit einem behinderten Kind am belastendsten ist, bekommt man oft die Antwort: “Das Verhalten”. Oft sind es “Flippanfälle” oder unangemessenes sexualisiertes Verhalten in der Öffentlichkeit, Weglauftendenzen des Kindes, Wut- und Schreiausbrüche beim Eintritt in neue Situationen, die für die Eltern teilweise unerklärlich und auch schwer zu handhaben sind. Die FraX-Verhaltensexpertin Dr. Marcia Braden (Colorado/USA) hat einige dieser Situationen beschrieben und zeigt auch Wege aus der belastenden Situation auf (ihre Texte finden Sie in Englisch auf ihrer Webseite, Deutsche Übersetzungen sind derzeit in Arbeit). Im Folgenden haben wir einige Themen herausgegriffen, die uns besonders wichtig erschienen:
Was ist wichtig für die Zahngesundheit?
Zahngesundheit bei Kindern mit Fragilem-X Syndrom
Die Zahngesundheit ist ein wichtiger Aspekt in der Gesundheitsvorbeugung unserer Kinder. Einige Kinder mit FXS lassen sich ohne Probleme untersuchen und sogar behandeln, den meisten jedoch fällt es meist sehr schwer, sich von anderen (fremden) Menschen berühren zu lassen oder eine langwierige und vielleicht sogar schmerzhafte Untersuchung oder Behandlung über sich ergehen zu lassen. Außerdem sind unsere Kinder häufig ängstlich in neuen, ungewohnten Situationen und verstehen zuweilen auch nicht, was mit ihnen in einer Untersuchung geschieht. Daher ist es besonders wichtig, die Kinder schon frühzeitig an Besuche beim Zahnarzt zu gewöhnen. Damit beginnt man natürlich, bevor sich Probleme einstellen, nämlich schon nach dem Durchbrechen der ersten Zähne und geht dann regelmäßig mit seinem Kind zum Zahnarzt (zweimal im Jahr), um Problemen vorzubeugen, oder sie frühzeitig erkennen und behandeln zu können.
Das allerwichtigste ist eine gute Prophylaxe. Nicht nur durch die Fluoridierung der Zähne bei den regelmäßigen Zahnarztbesuchen, sondern vor allem auch durch eine sorgfältige Zahnhygiene zu Hause.
Bei der Zahnpflege, die man mit den Kindern von Anfang an üben sollte, ist es wichtig, dass man sie den Kindern nicht ‘überlässt’, sondern immer wieder hilft, ggfs. auch noch bei Jugendlichen nachputzt. Manche Kinder mit FXS mögen das Zähneputzen gar nicht, aber vielfach helfen Spiele, vielleicht auch ein Zahnputzlied? Manchmal hilft das Einsetzen einer kleinen, faszinierenden Sanduhr oder auch das Zuschauen bei Eltern und/oder Geschwistern. Vielleicht erfinden Sie auch ein eigenes kleines Ritual, welches dem Zähneputzen den Schrecken nimmt. Schön wäre es auch, wenn Sie ihrem Kind mit FXS die richtige Verwendung von Zahnseide beibringen können, allerdings könnte das aufgrund ihrer motorischen Beeinträchtigung schwierig sein. Manche Kinder haben auch Schwierigkeiten, die Zahnbürste korrekt zu halten. Für die kleineren sind Kinderzahnbürsten mit dickem Griff gut geeignet, für größere Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind sogenannte Handgriffverdickungen eine gute Lösung. Diese sind aus einer Art Schaumstoff, werden über den Zahnbürstengriff geschoben und machen ihn etwas dicker und griffiger. Man bekommt sie im Sanitätshaus in verschiedenen Größen.
Kinder mit Fragilem-X Syndrom haben meist einen schwachen Muskeltonus, das zeigt sich auch in einem schlechten Mundschluss. Der Mund ist meist ein wenig auf, die Lippen sind schlaff, mitunter speicheln die Kinder auch sehr. Die Zunge liegt locker im Mundboden oder zwischen den Zähnen, viele Kinder mit FXS zeigen über längere Zeit ein kindliches Schluckmuster und pressen beim Schlucken die Zunge nach vorne – gegen die Zähne. Dies alles kann zu einer Fehlentwicklung des Gaumens, außerdem auch zu Zahnfehlstellungen führen und eine kieferorthopädische Behandlung nötig machen, die mit häufigen Untersuchungs- und Behandlungsterminen beim Kieferorthopäden verbunden sind. Sie sollten in einem ausführlichen Gespräch mit dem behandelnden Arzt die verschiedenen Möglichkeiten besprechen. Es sollte im Vorfeld gründlich abgewogen werden, welche der möglichen Behandlungsformen vom Kind toleriert werden könnte (z.B. feste vs. herausnehmbare Zahnspangen → Zahnreinigung → Würgereiz). Wie bei allen langwierigen und/oder schmerzhaften Behandlungen kann eine Sedierung in Betracht gezogen werden, jedoch sollte man nach Möglichkeit auf eine Vollnarkose verzichten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Zahngesundheit ist natürlich die Ernährung. Achten Sie auf eine zahnfreundliche, zuckerarme Ernährung und kalziumreiche Kost. Lassen sie Ihr Kinder möglichst wenig säurehaltige und/oder zuckerhaltige Getränke zu sich nehmen, vor allem nicht über den ganzen Tag oder bei kleineren Kindern in der Flasche oder im Trinkbecher, sondern bieten Sie lieber Wasser an.
Vielleicht haben Sie in Ihrer Nähe einen Kinderzahnarzt? Manche von ihnen sind ausgebildet in der Behandlung von Kindern mit Behinderung oder haben sich sogar darauf spezialisiert. Fragen Sie nach, machen Sie sich vor einem Praxisbesuch mit ihrem Kind mit dem Kinderzahnarzt und Zahnmedizinischen Prophylaxehelfern bekannt und informieren sie das Praxisteam über die Besonderheiten ihres Kindes.
Hier sind einige Tipps, die sich für die Vorbereitung von Zahnarztbesuchen mit Kindern mit FraX bewährt haben:
- Informieren Sie den Zahnarzt und das Praxisteam über die Besonderheiten Ihres Kindes.
- Vielleicht besichtigen Sie die Praxis vorab zunächst alleine und bitten darum, Fotos von der Praxis und den Mitarbeitern machen zu dürfen, die sie zu Hause zur Vorbereitung Ihrem Kind zeigen können.
- Vereinbaren Sie einen Termin für Ihr Kind zum Kennenlernen der Praxis, des Arztes und der Helferinnen. Verzichten Sie bei diesem ersten Termin auf jede Untersuchung.
- Wenn möglich, nehmen Sie Ihr Kind zu einem eigenen Besuch beim Zahnarzt mit, damit es sehen kann, dass Sie entspannt und angstfrei sind.
- Trösten Sie Ihr Kind auf keinen Fall im Vorfeld schon – vermeiden Sie vor allem Sätze wie: „Du braucht keine Angst zu haben!“ oder „Es tut bestimmt nicht weh!“
- Machen Sie wenn möglich Termine ohne (oder mit sehr kurzer) Wartezeit aus und kommen sie nicht allzu früh vor dem Termin.
- Machen Sie nach Möglichkeit einen Termin am Vormittag aus, wenn alle Beteiligten – Kinder, Eltern und auch das Praxispersonal – noch frisch und ausgeruht sind.
- Versuchen Sie schmerzhafte Untersuchungen oder Behandlungen vorher spielerisch an einem Kuscheltier zu zeigen, nehmen Sie für die Behandlung das Kind auf den Schoß.
- Bei manchen Kindern wirken auch Belohnungen gut. Unbedingt darauf achten, dass die Absprachen klar und für das Kind leicht nachzuvollziehen sind – und: halten Sie ihren Teil der Absprache immer ein!
- Wenn es Geschwister gibt, hilft es auch, Rollenspiele anzuregen, in denen Kuscheltiere zum Zahnarzt müssen und behandelt werden.
In Buchhandlungen gibt es einige Bücher zum Thema. Wenn Ihr Kind gern Bücher anschaut und Geschichten zuhört, kann das auch eine gute Methode sein, Ihr Kind vorzubereiten (z.B. „Conni geht zum Zahnarzt“ als Lesemaus aus dem Carlsen Verlag erhältlich, „Sofie geht zum Zahnarzt“ erschienen im Verlag Annette Betz oder auch „Nele beim Zahnarzt“, erschienen bei cbj) - Für sehr aufwendige oder langwierige Behandlungen und Untersuchungen oder wenn sich ein Kind nicht in ausreichendem Maße kooperativ zeigt, kann man natürlich auch eine Behandlung unter Sedierung oder Vollnarkose in Betracht ziehen. Jedoch ist nach Möglichkeit eine Behandlung ohne Narkose vorzuziehen.