Das Fragiles-X Syndrom (kurz FraX) wird durch einen Gendefekt auf dem X-Chromosom hervorgerufen (-> Ursache) und stellt die häufigste Form erblicher Lern- und geistiger Behinderung dar. Das Spektrum ist weitläufig, Jungen/Männer sind meist stärker betroffen als Mädchen/Frauen.
Man geht heute von einer Häufigkeit von etwa 1:3000 aus. Neben der mentalen Beeinträchtigung gibt es eine Reihe körperlicher Besonderheiten, die beim FraX auftreten können. Das Gesicht der Betroffenen ist meist lang und schmal, das Kinn kann sehr ausgeprägt und kantig sein. Der Kopfumfang ist überdurchschnittlich groß, er liegt aber noch im oberen Normalbereich. Die Ohren können sehr groß sein und stehen häufig ab. Die Merkmale des Gesichtes sind bei sehr jungen Kindern noch schwach ausgeprägt, treten aber mit zunehmendem Alter immer deutlicher hervor. Bei weiblichen Betroffenen mit FraX bleiben sie auch im Erwachsenenalter schwächer ausgeprägt. Erwachsene Männer haben zu 80% eine Hodenvergrößerung (Makroorchidie), diese kann auch schon bei Kindern deutlich sein. Die Gelenke sind oft überstreckbar. Die Muskelspannung Muskeltonus) ist häufig schwächer (Hypotonie), aber auch das Gegenteil, ein erhöhter Tonus (Hypertonie) ist möglich. Dadurch haben Betroffene einen auffälligen Gang, sie wirken schlaksig und etwas unbeholfen. Die körperlichen Merkmale sind einzeln nicht besonders auffällig, doch in der Kombination ergeben sie das für das FraX typische Erscheinungsbild.
Es gibt neben den äußerlichen Merkmalen vor allem aber Verhaltensauffälligkeiten, die bei Menschen mit FraX gehäuft vorkommen. Insbesondere zählen dazu Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizite. Einige Verhaltensweisen tragen autismusähnliche Züge, wie das Vermeiden von Blickkontakt, soziale Scheu, stereotypes Verhalten und das Bestehen auf Ritualen. Häufig wedeln Kinder mit den Händen oder beißen in den Handrücken, wenn sie besonders erregt sind. Betroffene mit FraX sind leicht erregbar und neigen vor allem in jungen Jahren zu heftigen Wutausbrüchen. Ihre Frustrationstoleranz ist niedrig, Bedürfnisse aufzuschieben fällt ihnen sehr schwer. Viele Verhaltensauffälligkeiten schwächen sich nach der Pubertät jedoch ab.
Die Entwicklung von Kindern mit FraX verläuft verzögert. Sie laufen spät und können Gleichgewichtsstörungen haben. Auch mit der Feinmotorik, wie z. B. dem Halten von Stiften oder dem Umgang mit Besteck haben sie häufig Probleme. Die Sprachentwicklung beginnt spät und verläuft langsam. Später haben die Kinder oft eine undeutliche Aussprache. Sie wiederholen einzelne Wörter oder Sätze (Echolalie), gern stellen sie auch immer wieder die gleichen Fragen. Bei jungen oder nur wenig sprechenden Betroffenen kann der passive Wortschatz größer sein als es der aktive Wortschatz vermuten lässt.
Trotz der oft erheblichen geistigen Beeinträchtigung haben die Betroffenen ein hervorragendes Langzeitgedächtnis. Vor allem Orte und Wege prägen sich fotografisch ein. Sie entwickeln oft ein starkes Interesse für ein Sachgebiet, auf dem sie sich dann ein erstaunliches Wissen aneignen können.
Die zuvor beschriebenen Merkmale des Fragilen-X Syndroms treten selten alle bei einem Menschen auf, es können sehr viele Symptome zutreffen, aber auch nur einige wenige. Auch ein Kind mit FraX ist immer ein Kind seiner Familie, mit vielen Ähnlichkeiten zu seinen Eltern, Geschwistern und Verwandten in Aussehen und Charakter.